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In der letzten Folge bin ich in das Thema Weltbilder eingestiegen und habe an einem kleine Beispiel einmal aufgezeigt, wie Meinungen entstehen. Wie wir sehr schnell anfangen die Landkarte zu verändern, die ja nicht das Gebiet ist. Das will ich in dieser Folge noch einmal vertiefen.
Wie entstehen unsere Weltbilder genau? Einige kennen vielleicht das Grundprinzip der IT, des Computers. Es folgt dem Prinzip der Eingabe, der Verarbeitung und der Ausgab, kurz: E.V.A..
Wahrscheinlich würdest Du mich für blöd erklären, wenn ich einen Text am PC schreibe, ihn ausdrucke und den Tippfehler mit Tippex auf dem Ausdruck korrigieren würde in der Hoffnung, das der dann weg ist. Denn Du weißt, was beim nächsten Ausdruck passiert? Richtig, der Fehler ist immer noch da. Erst mit der richtigen Eingabe kann die Software das richtige Ergebnis an den Drucker
Was bei einem PC logisch und einfach klingt, ist auf einer anderen Ebene gar nicht mehr so offensichtlich.
Denn wie funktioniert unser Gehirn?
Ich nehme etwas wahr. Es gelangt über die „Bewusstseinsschwelle“ in meinen Wahrnehmungsbereich. Dann rennt mein Gehirn los und sucht nach Referenzerlebnissen oder anderen Vergleichen. Dazu nutzt es eine riesige Datenbank, die sich im Laufe des Lebens eingerichtet hat. Findet es etwas vergleichbares, dann sagt es sich: „Ach klar, kenn ich“ und liefert das Ergebnis zurück. Andernfalls wird diese neue Wahrnehmung als Referenzerlebnis gespeichert.
Zu guter Letzt erfolg die Ausgabe. Entweder über eine Art der Kommunikation oder es wird als Referenzerfahrung abgespeichert — man weiß ja nie, wofür es gut ist.
Das war jetzt echt theoretisch 😉
Dazu vielleicht ein kurzes Beispiel: Ein kleines Kind hat Hunger (Wahrnehmung) — Selbst versorgen kann es sich noch nicht (kein Referenzerlebnis) also fängt es an zu schreien. Jetzt kommt Mutti, holt das Fläschchen und füttert das Kind. Was passiert jetzt alles?
Im Gehirn festigt sich der Weg: Hunger -> schreien -> Mutti kommt, es gibt Futter -> Hunger weg. Alles wieder gut.
Das „Programm“ wird mit jeder Wiederholung tiefer und der Datenbank verankert. Und so fängt unser Gehirn an, sich zu „Programmieren“, zu konditionieren. Es malt seine Landkarte.
Das Ergebnis solcher Konditionierungen kannst Du Dir einmal ganz einfach vor Augen führen: geht zu zweit ohne etwas zu sagen eine Einkaufsstraße entlang. 200 Meter reichen dafür aus. Dann biegt um eine Ecke und erzählt Euch gegenseitig, was ihr wahrgenommen habt. Viel Spaß
Vielleicht noch ein Beispiel aus dem von mir oft erlebten Berufsalltag: Kaltakquise…
Da ruft der Verkäufer einen Interessenten an. Als „Neuling“ ohne Rethorik-Seminare und Verkaufstrainings brennt er für seine Firma, für sein Produkt. Es ist einfach das Beste auf dem Markt. Dennoch hat er ein mulmiges Gefühl, einfach so wildfremde Menschen anzurufen. Denn Kaltakquise ist verpönt, das hat er schon einmal gehört. Außerdem hat er schon ein paar mal in seinem Leben schlechte Erfahrungen mit Ablehnungen gemacht.
Jetzt sagt auch noch der erste Interessent „Nein, kein Interesse“…
Der Zweite will ein paar Unterlagen haben und es sich überlegen.
Der dritte legt einfach auf
Der vierte… YES — die erste Aussicht auf einen Termin (nein, der wollte auch nur Infos haben… grmpf)
So vergeht der erste Tag und es kommen neben vielen Absagen doch noch einige Termine zustande.
Also denkt er sich, ich muss besser werden. Bücher über Kaltakquise, Online-Seminare, Rhetorik, etc. pp. Viele Konzepte, die ihm erklären, wie er seinen „Ausdruck“ verändern kannst. Argumentationsketten, Einwandbehandlung, Fragetechniken… das volle Programm.
Schaust Du jetzt einmal genau hin, dann erkennst Du , das diese Methoden den Ausdruck bearbeiten. Also wie er mehr und besser mit Tippex die Fehler korrigieren kann. Aber mit jedem Anstoß des Programms laufen erst einmal die „alten Fehler“ wieder an.
Du merkst also… was als blöde Metapher anfing entpuppt sich bei genauerer Betrachtung als tägliches Doing.
Erinnere Dich einmal an Situationen ähnlich meines Beispiels. Ein Mädchen oder eine Jungen, den Du kennen lernen wolltest? Die Führerscheinprüfung, Dein „Verhalten“ bei Partys oder Familienfesten.
Wäre es ergo nicht hilfreicher, sich das „mulmige Gefühl“ im Beispiel der Kaltakquise anzuschauen statt sich mit der Ausdrucksweise zu befassen? Wäre es nicht sinnvoller, sich den Ursachen zuzuwenden die Dich vielleicht verunsichern statt an den Symptomen herumzudoktern? Also sich der Verarbeitung von Wahrnehmungen zuzuwenden?
Zack — hier haben wir jetzt aus meiner Sicht den Sichtwechsel: Statt den Ausdruck zu behandeln betrachten wir die Schritte davor.
Ich behaupte jetzt einmal das die Wahrnehmung an sich neutral ist. Sie ist weder gut noch schlecht. Sie ist lediglich ein Repräsentant dessen, was sich „da draußen“ abspielt. Sie ist das Rohmaterial unserer Landkarte von dem Gebiet. Dabei können wir das Gebiet an sich ja nie wirklich im vollen Umfang wahrnehmen, wir sind da ja auf Grund unserer Wahrnehmungssensoren beschränkt.
Werde ich mir dessen erst einmal Bewusst, das die Dinge an sich weder gut noch schlecht sind, dann bin ich schon einen großen Schritt weiter. Denn meist beginnt direkt die Verarbeitung. Mein Gehirn fängt sofort an, die Wahrnehmung zu bewerten, einzuordnen und zu kategorisieren. Das ist dann noch der Idealfall.
In meinem Beispiel passiert aber noch etwas ganz anderes. Vor der eigentlichen Wahrnehmung läuft bereits ein Film ab. Denn auf Grund von Referenzerfahrungen — die meist gar nichts mit der eigentlichen Situation zu tun haben — rechnet der Ärmste schon mit einer Ablehnung.
Vor dem eigentlichen Flirt läuft der Film mit all den Körben ab. Er oder sie traut sich dann schon gar nicht mehr, das Gegenüber anzusprechen. Auf der Familienfeier kommen all die blöden Situationen wieder hoch und zack, bin ich wieder in der mir zugedachten Rolle und verhalte mich wie das erwartete schwarze Schaf, reagiere ungehalten auf Bemerkungen von Tante Anne, verdrehe die Augen beim Gespräch mit meinem Bruder. Ich erzeuge mit meiner Interpretation dessen was ich wahrnehme die Landkarte von einem Gebiet, das vielleicht ganz anders ist.
Das Ganze verselbständigt sich dann, so das wir in Endlosschleifen in unserem Gehirn Dinge ausmalen, die in der Realität nicht eintreffen. Ich fange an, Filme ablaufen zu lassen. Diese Filme sind reine Fiktionen. Sie malen eine eventuelle Zukunft auf Grund bereits gemachter Erfahrungen aus. Die dann auch noch als selbsterfüllende Prophezeiungen eintreffen. Hui… ich erkenne schon das nächste Thema… Die selbsterfüllenden Prophezeiungen.
Worauf will ich hinaus? Die Verarbeitung der Eindrücke ist die Software, sind die Programme, die überwiegend unbewusst ablaufen und uns meist einschränken. Und wenn ich hier ansetze statt beim Ausdruck kann ich wirklich etwas verändern statt immer nur an Symptomen zu arbeiten.
Wie mache ich das?
Ich fange an, mich zu beobachten. Also mein Denken. Meine Gefühle. Blöde Situation? Woher kommt das blöd? Womit vergleiche ich das, was ich gerade erlebe? Ist es wirklich so oder vielleicht doch ganz anders? Was konstruiere ich da gerade? Um bei meinem EVA-Prinzip zu bleiben: Ich fange an, meine installierte Software, die Programme zu analysieren.
Und ich glaube, da machen wir nächste Woche weiter. Jetzt kannst Du erst einmal eine ganze Woche lang deine Programme einfach nur beobachten. Und dann schauen wir nächste Woche, wie diese ggf. verändert werden können.
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