So, jetzt geht es so rich­tig los. Das letzte was Du gehört hast, war ja das Intro und jetzt stie­gen wir in des Thema Sichtwechsel ein. 

Ich hab mir lange Gedanken gemacht. Und ich weiß nicht, wie es bei Dir ist, aber wenn ich etwas neues starte, dann bin ich erst einmal ziem­lich nervös. Hab dann den Anspruch an mich, bloß alles perfekt zu machen. Mir also viele Notizen gemacht, versucht, den roten Faden zu finden, über­legt, was alles mir rein muss. Das wurde dann echt viel, alles zu kompli­ziert und… doof. 

Mir hilft es dann immer, einen halben Schritt zur Seite zu gehen, die ganze Sache noch einmal zu betrach­ten und mich zu fragen: „Hey, worum geht es mir eigent­lich wirklich?“

Womit für mich halt alles anfängt ist das Thema Weltbild. Im NLP gibt es eine Grundannahme: „Die Landkarte ist nicht das Gebiet“. Das hab ich damals zur Kenntnis genom­men. Erst viel später habe ich erkannt was isch dahin­ter verbirgt. In Kombination mit dem Weltbild kam das aha-Erlebnis. 

Dazu viel­leicht ein kurzes Beispiel. Ich hatte 2006–2007 so eine rich­tig blöde Zeit. Die Rechnungen stapel­ten sich, der Gerichtsvollzieher kam wöchent­lich vorbei und trank mit mir sogar Kaffee. Kein gutes Zeichen… Ich war zu der Zeit selb­stän­dig und merkte irgend­wie, es geht nicht weiter. 2–3 Jahre habe ich gegen die finan­zi­el­len Herausforderungen ange­kämpft, wollte mein Gesicht bewah­ren, wollte da irgend­wie durch und wieder raus, bis Mitte 2007 ein letz­ter Impuls das Faß zum Überlaufen brachte. In einer für mich damals gedach­ten Kurzschlussreaktion habe ich dann den Insolvenzantrag ausge­füllt, in die Post gesteckt und abge­schickt. Und dachte mir — ich bin komplett geschei­tert. 

Interessanterweise wurde ab dem Zeitpunkt alles leich­ter. Eine komplette Last war von mir gefal­len. Ich konnte wieder frei atmen und musste mir keine Gedanken mehr darüber machen welche Rechnung ich bezah­len musste, es gab keine Forderungen mehr. Der Gerichtsvollzieher kam eine Woche später noch einmal und beglück­wünschte mich zu meiner Entscheidung. 

Worauf will ich hinaus? Ich habe mich jahre­lang gegen die Vorstellung, gegen das Bild gewehrt. „Wenn du in die Insolvenz gehst dann bist du gesell­schaft­lich nur noch Fußabtreter, dann geht nichts mehr. Ich verlier mein Gesicht, kann nie wieder irgend­et­was machen, alles doof, das will ich nicht.“ Als ich aber doch den Schritt gemacht habe, stellte ich fest, das sich die Welt doch weiter­dreht. Ich kann wieder atmen und habe den Druck nicht mehr. Das war für mich eine unheim­li­che Erleichterung. 

Im Nachgang habe ich immer öfter darüber nach­ge­dacht, warum ich das nicht schon 2–3 Jahre früher gemacht habe. Ich hätte mir so manche schlaf­lose Nacht erspart und ich wäre schon viel früher an einem ganz ande­ren Punkt ange­kom­men. 

Was bedeu­tet das? 

Wir alle haben irgend­wie unser Bild von Welt, unsere Vorstellungen davon. Das ist auch gut so, denn unser Gehirn wäre maßlos über­for­dert, wenn es jeden Eindruck perma­nent neu aufneh­men und verar­bei­ten müsste. Da wäre wir hoff­nungs­los über­las­tet. Also kommt unser Gehirn her und fängt an, bestimmte Dinge zu kate­go­ri­sie­ren, zu klas­si­fi­zie­ren. Das ist auch Okay, effi­zi­ente Arbeitsweise. Werde ich mir jeden Morgen neu Gedanken darüber machen müssen wie ich mir die Schuhe zubinde, ich käme nie aus dem Bett, geschweige denn zur Arbeit. Das sind Automatismen die anfan­gen zu laufen. 

Das machen wir sowohl auf der körper­li­chen als auch auf der geis­ti­gen oder psychi­schen Ebene. Spreche ich jetzt z. B. von einem Baum, dann rennt Dein Gehirn los und sucht in der Datenbank, was es zu Baum findet. Das bringt es dann hoch und es entsteht in Dir ein Bild von dem Wort Baum. Hab ich jetzt von einer Kiefer gespro­chen, einer Eiche, Kastanie, Buxbaum, Flieder… das kommt erst im zwei­ten, drit­ten oder vier­ten Stepp. Und genauso kreieren wir unsere Weltbilder. 

So wie ich mein Bild von Welt hatte, Insolvenz ist das Schlimmste was mir passie­ren kann, das ist der abso­lute Untergang, ich hab danach keiner­lei Existenzberechtigung mehr. Bis dann irgend­wann ein Schockerlebnis kam, in dem ich mein Scheitern akzep­tiert habe und danach hat sich mein Weltbild komplett neu geformt. Mittlerweile gibt es bei mir keine unbe­zahl­ten Rechnungen mehr. 

Darauf möchte ich eigent­lich hinaus: Ja, auf der einen Seite hilft uns unser Weltbild uns in der Welt zurecht­zu­fin­den. Nur was ist, wenn da Dinge nicht ganz so opti­mal laufen. Wenn man sein Bild von Welt so derma­ßen gefes­tigt hat, dass man eigent­lich keine ande­ren Sichtweisen mehr zulas­sen kann oder will. 

Jetzt bin ich mitt­ler­weile 47 Jahre alt. Ich hab zumin­dest schon einige Jahre in mein Weltbild inves­tiert. Hab meine Meinungen gebil­det, meine Ansichten und Sichtweisen. Wenn mir jetzt auf einmal einer sagt: „Die Welt ist aber ganz anders“, dann geh ich erst einmal auf die Barrikaden. Kann es also nicht auch sein, das uns unsere Meinungen und Ansichten so ein biss­chen von der Welt abschnei­den? Weil, wie das Wort Weltbild schon sagt, es ist nur ein Bild von der Welt. 

Jetzt gehe ich einmal auf die physi­sche Ebene ein. Wir haben alle unsere Sinnesorgane. Augen, Nase, Mund, Ohren, Haut, Nervenbahnen. Unsere Ohren hören Frequenzen von 20–20.000 Hz. Alles darun­ter oder darüber hören wir nicht oder wir brau­chen Gerätschaften, die es für uns hörbar machen, damit es in unser Spektrum passt. Genauso ist es mit den Augen. Wir sehen nur inner­halb eines bestimm­ten Frequenzbereichs. Von Rot bis Indigoblau. Und trotzt alle­dem sagen wir, das was wir hier wahr­neh­men ist unser Bild von Welt, das ist die allge­mein gültige Wahrheit. Das sind gerade einmal ein paar Prozent dessen was da wirk­lich drau­ßen ist. Und wir maßen uns an das als unser gülti­ges Weltbild anzu­er­ken­nen. 

Weiter zur psychi­schen Ebene: 

Mein Beispiel mit der Insolvenz war ein rein psychi­sches Ding. Ein ande­res Beispiel dafür, wie sich Meinungen und Sichtweisen heut­zu­tage festi­gen. Dazu ein ganz bana­les Beispiel. 

Du stehst in der Straßenbahn, die ziem­lich voll ist. Auf einmal ruckelt es und die Frau vor Dir mit ihren gefühl­ten 130 kg und Pfennigabsätzen steht plötz­lich auf Deinem Mittelfuß. Ich denke, den Schmerz kannst Du Dir sehr gut vorstellen 😉

Das beste, was Du machen könn­test wäre, einmal aufzu­schreien und den Schmerz heraus­zu­las­sen. Quasi die Energie einmal flie­ßen lassen und der Drops wäre gelutscht. Jetzt ist es aber so, das die Straßenbahn ja voll ist. Und in der Öffentlichkeit brüllt man nicht. Also unter­drückst Du den Schmerz, brum­melst in Dich rein und ärgerst Dich über die Person vor Dir. Spinnen wir es noch ein biss­chen weiter, weil Du keine Methoden gefun­den hast, die Energie flie­ßen zu lassen. Du fängst an, Dich inner­lich aufzu­re­gen. Verurteilst Dein Gegenüber. Fängst an, die Situation zu gene­ra­li­sie­ren: „Immer passiert mir so etwas. Dicke Menschen gehö­ren nicht in den Straßenverkehr…“ Zack, schon bildet sich eine Meinung. Wenn Du dann noch Gleichgesinnte findest, mit denen Du zusam­men gegen die deso­la­ten Zustände in öffent­li­chen Verkehrsmitteln demons­trie­ren kannst wirst Du direkt wieder mit Deiner neuen Meinung akzep­tiert. Und das alles hatte den Ursprung eines klei­nen Rucklers in der Straßenbahn. 

Aus dieser Situation festigte sich eine Sichtweise, eine Meinung und ein Standpunkt. 

Du kannst jetzt mal über­le­gen, wo Du selbst diesem Bären aufsitzt, wo Du Dein Bild von Welt erzeugt hast und ggf. darüber nach­den­ken, ob das wirk­lich der rich­tige Weg oder die rich­tige Meinung ist. Worum ich Dich also bitte ist, selbst anzu­fan­gen zu denken. Nicht alles gleich zu über­neh­men was andere sagen. 

 

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