Die Stimmmuster sind mir als Estes in dem Buch von Wolfgang J. Linker «Kommunikative Kompetenz» in Erinnerung geblie­ben und dadurch bewusst gewor­den. Mir haben sie gezeigt, wie leicht eine Kommunikation unbe­wusst in die falsche Richtung gehen kann. Denn obwohl ich mich viel­leicht inhalt­lich korrekt ausdrückte, wurde die Aussagen anders aufge­nom­men, als es meine Absicht war. Da passt auch der Untertitel des Buches: „Kommunikation ist Wirkung, nicht Absicht.“

Und wenn ich an Vertragsgespräche zurück­denke, in denen eine Zusammenarbeit nicht zustande kam, wurde mit auf Grund des Buches so eini­ges klar.

In diesem Buch und auch anderswo werden in der Regel zwei Stimmmuster unter­schie­den: das glaub­hafte und das zugäng­li­che. Jeder Mensch neigt zu einem dieser beiden Typen. Und auch hier gilt es, dass es weder falsch noch rich­tig gibt. Sondern eher passend oder unpas­send. Tendenziell neigen Frauen eher zum zugäng­li­chen Stimmmuster während Männer zum glaub­haf­ten Muster neigen. (Verdammt, ich befinde mich in der Gender-Diskussion?!)

Das “Glaubhafte Stimmuster”

Das glaub­hafte Stimmmuster zeich­net sich durch eine recht gleich­blei­bende Stimmlage aus und geht zum Ende des Satzes grund­sätz­lich nach unten. Denk einmal an einen Nachrichtensprecher der Tagesthemen im ARD.

Dieses Stimmmuster über­zeugt auf der Sachebene und unter­streicht — wie der Name bereits sagt — die Glaubwürdigkeit.

Das “Zugängliche Stimmmuster”

Dieses Muster vari­iert und modu­liert den Tonfall während des Sprechens und geht zum Ende des Satzes fast immer nach oben. Ausgenommen ist dabei der letzte Satz. Man hat häufig das Gefühl, eine Frage würde in den Raum gestellt. Gerade beim Bitten oder Fragen steht dieses Stimmmuster im Fokus. Dieses Stimmmuster eige­net sich beson­ders dazu, um Prozesse beim Gegenüber auszu­lö­sen und ihn zum Nachdenken anzuregen.

Unser Tun bestimmt die Botschaft

Vera F. Birkenbiehl hat es einmal formu­liert: «Das Sagen über­mit­telt die Information, wie wir es Tun, die Information über die Information.»
Versuchen Sie einmal, eine Frage in einer glaub­haf­ten Stimmlage zu formu­lie­ren und zum Ende des Satzes ein wenig nach unten abklin­gen zu lassen. Zum Beispiel:

Können Sie mir kurz helfen?“
„Macht es nicht Sinn, zunächst Ihre Anforderungen zu klären, bevor ich dass Angebot ausarbeite?“
„Wie sehen Sie das?“

Was Sie gerade versucht haben ist, eine glaub­hafte Stimme in einem zugäng­li­chen Kontext zu benut­zen. Das wird nicht funk­tio­nie­ren, es sei denn, es ist von Ihnen gewollt und die Fragen rein
rheto­ri­scher Natur.

Ebenso verhält es sich, wenn Sie einmal versu­chen, einen Entschluss in einer modu­lier­ten Stimme den Kollegen zu präsen­tie­ren und am Satzende leicht nach oben zu gehen.

Wir werden die Sache beob­ach­ten und dann schauen, was zu tun ist.“
„Ich habe keine Angst!“
„Das Angebot werden Sie schnells­tens vorlie­gen haben.“

Du kannst davon ausge­hen, das das Gesagte zur Kenntnis genom­men wird, aber erwarte keine Bestätigung Deines Gegenübers. So erken­nen wir, das mit jedem Stimmmuster etwas verbun­den wird.

Was also verbin­den wir mit diesen Stimmmustern?

Glaubhaftes Stimmmuster Zugängliches Stimmmuster
Sachkompetenz Sozialkompetenz
Reationalität Emotionalität
Ernsthaftigkeit Freundlichkeit
Entschlossenheit Flexibilität
Entscheidungsfähig Vermittlungsfähig
Durchsetzungsvermögen Anpassungsvermögen
Auf “Sendung” sein Auf “Empfang” sein
Formalität Zwanglosigkeit
Eindeutigkeit Mehrdeutigkeit
Geschlossenheit Offenheit
Antworten Fragen
Androhungen Bitten
Verbindlichkeit Möglichkeit
Sachebene Beziehungsebene
Macht Einfluss
Inhalt Prozess

(Quelle: Wolfgang J. Linker — „Kommunikative Kompetenz — Weniger ist mehr“ Seite 73)

Gibt es also ein besse­res oder schlech­te­res Muster? Natürlich nicht. Wir benö­ti­gen beide, wollen wir erfolg­rei­cher bzw. bewuss­ter kommunizieren.

Trainieren der Stimmmuster

Die Frage ist nun, ob sich die Stimmmuster trai­nie­ren lassen, die jeder von uns so lange Zeit meist unbe­wusst genutzt hat. Dafür gibt es kein Patentrezept, doch es gibt einen idea­len Ort, der sich hervor­ra­gend eignet: das Telefon. Hier haben wir den Vorteil, das wir uns auf rein akus­ti­sche Signale fokus­sie­ren können und andere nonver­bale Eigenschaften außen vor blei­ben können.

So wie der Blickkontakt codiert das Stimmmuster unsere Botschaft. Es färbt sie ein und gibt ihr unse­ren Stempel. In der Regel verwen­den wir unse­ren Standard-Code. Das Ziel sollte es sein, sein
Stimmmuster indi­vi­du­ell, der Situation ange­passt, einzusetzen.

Bist Du eher der „glaub­hafte“ Typ, dann soll­ten Du dich beim Sprechen mehr bewe­gen und auch Deine Hände zum Einsatz brin­gen. Sei entspann­ter, wenn Du ein Telefonat führst. Und  wenn Du tele­fo­nierst, kannst Du die Bewegungen zunächst auch über­trei­ben. Die Bewegung fördert die Flexibilität und damit auch die Zugänglichkeit in der Stimme.

Bist Du mehr der „zugäng­li­che“ Typ, dann hast Du es etwas schwe­rer. Denn in der Regel senkst Du die Stimme ganz zum Schluss einer Ausführung. Doch die voran­ge­gan­ge­nen Sätze haben die Tendenz zum Anheben der Stimme am Satzende. Damit signa­li­sierst Du Unverbindlichkeit bis zum letz­ten Satz, der dann den ande­ren ledig­lich zeigt, das Du „Fertig“ bist.

Da Du zumeist auch zu mehr Bewegung neigst, soll­test Du zu Beginn einmal die Bewegungen einschrän­ken. Als nächs­tes trai­nierst Du, zu jedem Satzende den Kopf zu senken. Als drit­tes kannst Du die Hand zur Faust ballen und damit eine Anspannung herbei­füh­ren. Oder du nimmst einen Kugelschreiber, den Telefonhöher oder die Tischkante. Denn mit einer Anspannung wird es schwie­ri­ger, ein zugäng­li­ches Muster aufrecht zu erhalten.

Diese Tipps kannst Du nutzen, um auf der Klaviatur der Stimme und der Sprache eine weitere Nuance hinzu­zu­fü­gen. Oder wie es ein Barista ausdrü­cken würde: Das Mischen der Bohnen in einem ande­ren Verhältnis ergibt eine völlig neue Komposition.

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