Mir ist vor kurzem wieder eine Geschichte zu Ohren gekommen, die ich schon öfter gehört habe. Jetzt wieder in einer Rede von Paul Watzlawick, der diese Geschichte heranzog, um das konstruieren von Wirklichkeit zu beschreiben:
Da geht ein Mann mit seinem Sohn und einem Esel an einem heißen Tag durch die Wüste auf dem Weg zu seinem Haus. Er sitzt auf dem Esel, der Junge läuft Nebendran und alles ist in bester Ordnung.
Da kommt eine Gruppe Menschen vorbei und der Mann hört sie reden: „Ja schaut euch das einmal an, der Alte sitzt auf dem Esel und der arme Junge muss sich in der heißen Mittagssonne zu Fuß abquälen.“
Es wird nicht lange gefackelt, der Mann steigt ab und setzt den Jungen auf den Esel. Weiter ziehen sie des Weges. Bis eine weitere Gruppe ihren Weg kreuzt und er wieder ein Getuschel vernimmt. „Was ist das denn für eine Art? Der Junge sitzt auf dem Esel und der arme alte Mann muss sich zu Fuß abmühen!“
Also steigt der Mann zu seinem Jungen auf den Esel uns sie reiten gemeinsam weiter des Weges. Es soll nicht lange dauern und eine weitere Gruppe beginnt, sich zu echauffieren. „Ja sind die denn von allen guten Geistern verlassen? Sitzen zu zweit auf dem armen Tier, das sich durch die Hitze quält. Wie kann man nur?“
Also steigen beide ab und beginnen, den Esel zu tragen… was die nächste Gruppe sagen würde, überlasse ich jetzt einmal deiner Fantasie.
Als ich diese Geschichte wieder hörte musste ich zum Einen an den von Paul Watzlawick erwähnten Konstruktivismus denken, und zudem auch daran, wie oft ich mich in meinem Leben schon verbogen haben, um es allen möglichen Menschen recht zu machen.
Das ging los bei Gefallen, die ich erwiesen habe — ja, das nicht nein sagen können — über Situationen, in denen ich von mir aus nicht nur meine Hilfe angeboten, sondern sie förmlich aufoktroyiert habe bis hin zur kompletten Imitation des Gegenübers in Bezug auf Sprache, Dialekt und Körperhaltung. Und ganz gerne auch war ich von Ideen anderer so schnell begeistert, das ich alles andere stehen gelassen habe, um diese Idee weiter mit Leben zu füllen statt bei mir selbst zu bleiben. Das Thema mit der „orientierungslosen Begeisterungsfähigkeit“ lässt grüßen.
Ein weiterer Impuls neben der Geschichte war ein Anruf im beruflichen Umfeld, in dem mir das Gegenüber ganz knallhart sagte: „Michael, hör auf mich zu spiegeln oder ich rufe Dich nicht mehr an!“ Das hatte gesessen. Erstmal. Und damit kam die Frage auf, was ich von diesen Menschen gebraucht habe, um mich für diese zu verbiegen.
Denn auf der einen Seite kann ich mich darüber beklagen, das es so ist. Das ich mich immer verbiegen muss, es immer allen recht machen muss. Dieses Gejammer habe ich einige Jahre, wenn ich Jahrzehnte praktiziert. Doch das bringt mich ja nicht weiter. Und hier kam mir der Impuls aus dem NLP, der sekundäre Krankheitsgewinn. Was gewinne ich dadurch? Und brauche ich das, was ich hoffe zu gewinnen, wirklich?
Also betrachtete ich einige Situationen meines Lebens. Gespräche mit Manuel (habe seinen nordischen Dialekt imitiert, seine langsame und gewissenhafte Artikulation, etc.), Gespräche mit Peter, dem Zenmeister (meine Freundin spiegelte mir einmal, „Wenn Du mit dem telefonierst, dann bist du so komisch“) und noch einige andere Situationen. Da erkannte ich, das ich so sein wollte wie sie. So klug, wissend und in sich ruhend. Und ich glaubte, das durch diese Imitation zu erreichen. Ja toll, das kopieren anderer Menschen ist auch Teil der NLP-Ausbildung, aber nur die halbe Miete, wenn es lediglich beim imitieren bleibt.
In anderen Situationen, in denen ich mich von Ideen habe anstecken lassen, von Hilferufen, die ich nicht abgelehnt habe, von Lösungen, die ich ungefragt von mir gegeben habe wollte ich dem Gegenüber einfach nur gefallen. Ich wollte die Anerkennung, Bewunderung, das gelobt werden. „Hatta fein gemacht, der Kleine!“ Um es auf die Spitze zu treiben.
In beiden Strategien habe ich eine Gemeinsamkeit entdeckt: das ich mich selbst nicht angenommen habe. Mit mir selbst nicht zufrieden bin. Menschen nachzuahmen, um so zu sein wie sie, weil ich mich selbst für nicht so gut halte. Anderen Menschen helfen, ihnen meine Begeisterung spüren lassen weil ich mich selbst nicht anerkenne als der, der ich bin.
Das ist es, wo ich jetzt wieder hinschauen darf. Denn es ist ja nicht das erste mal, das ich an diesem Thema vorbei schramme. Doch befindet sich jetzt einiges mehr an Erfahrung und neue Erkenntnisse in meinem Rucksack so das ich nun mit einer anderen Sicht auf die Dinge schaue.
Um für mich bei mir anzukommen.
Und vielleicht schaust Du einmal bei Dir, wo Du Dich verbiegst. Wo Du das Gefühl hast, das alle an Dir zerren. Wo Du es anderen recht machst und Dich selbst verlierst. Und schaust, was bei Dir dahinter steckt.
Schreibe den ersten Kommentar