“Die Grammatik ist autonom und keiner Wirklichkeit verantwortlich.”
— FRIEDRICH WAISMANN
Das Verstaendnis des Phaenomens Sprache ist entscheidend fuer das Verstaendnis der Wirklichkeit. Das Verhaeltnis des Begriffs zur sinnlichen Anschauung ist dabei das Koenigsproblem des Denkens. Aufbau der Wirklichkeit aus festen Elementen ist Bedingung fuer ihre Beschreibbarkeit. Waere es anders — wuerden sich also in den Tatsachen keine konstanten, immer wiederkehrenden Elemente finden lassen — wuerde die Moeglichkeit des Ausdrueckens und Beschreibens aufhoeren. In der Abstraktion haben wir aber ein Prinzip, das wir auf viele Vorgaenge anwenden koennen, ohne fuer jeden Vorgang eine eigene Methode bereitstellen zu muessen. Sprache und Logik sind im Grunde nichts anderes, als denkoekonomische Prinzipien. Jeder sprachliche Ausdruck ist eine Generalisierung, deren Zweck es ist, fuer moeglichst viele Dinge zuzutreffen.
Das Prinzip der Abstraktion ist die Analogie. Jedes Wort ist in jeder Bedeutung durch die Beobachtung von Aehnlichkeiten entstanden. Verallgemeinern heisst strukturieren, um zu ordnen. In der gewoehnlichen Auffassung wird stets das Bekannte auf das Unbekannte uebertragen, damit es sich in die Reihe der gewohnten Ueberlegungen einreihen laesst. Wir geben sich haeufig wiederholenden Situationen den gleichen Namen, um das Geschehen zu vereinfachen und zu vereinheitlichen. Wer ordnet, fuegt aehnliches zu aehnlichem. Die Abstraktion ist deshalb das Ordnungsprinzip schlechthin. Alles Denken ist im Prinzip nichts, als die Verbindung von Namen durch das Woertchen ist. Das Pferd ist ein Saeugetier. Dieses ist ist im Grunde gleichbedeutend mit dem mathematischen = Zeichen. Wir nennen verschiedene Dinge einfach deshalb beim selben Namen, weil diese Dinge einander aehnlich sind; es ist nichts Identisches in ihnen vorhanden. Eine Moeglichkeit reine Entitaeten zu identifizieren gibt es nicht.
Die Kategorie ist die Form, der sich die Empfindung fuegt, die aber selbst nicht direkt aus der Empfindung kommt. Keine unserer Vorstellungen geht unmittelbar auf den Gegenstand. Jede Vorstellung ist vermittelt. Den geheimnisvollen Vorgang, bei dem eine Empfindung zum Wort wird, nennen wir Abstraktion. Was aber durch Abstrahierung passiert, ist nicht etwa exakte Beschreibung, sondern allenfalls das Weglassen unwesentlicher Merkmale und eine Beschraenkung auf relevante Kriterien. Kategorien sind die Formen des Verstandes und Hilfsvorstellungen, durch welche sich das Denken sein Geschaeft, d.h. die Berechnung der Wirklichkeit erleichtert. Wer denkt und spricht, objektiviert seine Empfindungen, d.h. er verallgemeinert sie soweit, bis sie verstanden werden koennen.
Ohne Allgemeines ist eine Vermittlung des Individuellen nicht denkbar. Wer Begriffe gebraucht, fasst eine grosse Anzahl augenscheinlich uebereinstimmender Dinge in die gleiche Form, um sie bequemer greifen zu koennen. Einmal gemachte Empfindungen werden als Verallgemeinerungen registriert und abgestellt, damit sie jederzeit auf Abruf verfuegbar sind. Mittels Abstraktion wird versucht, das eigentlich Gewesene mit dem wesentlich Gewesenen zur Deckung zu bringen. Alle Abstraktion besteht im blossen wegdenken. Abstraktion heisst “Abziehung”. Keine Sprache drueckt Sachen aus, sondern nur Namen; auch keine menschliche Vernunft also erkennt Sachen, sondern sie hat nur Merkmale von ihnen, die sie mit Worten bezeichnet.(1)
Der Definitionsprozess ist die Festsetzung genereller Merkmale, der Gegenstand das definitum. Der definierte Begriff ist aber etwas, das ausschliesslich in unseren Koepfen existiert. Jedes Ding, das wir feststellen, ist nur ein ersehnter Ruhepunkt fuer unser Denken. Die Unruhe wird Ordnung, eben dadurch, dass sie Gegenstand wird.(2)Aus Unbestimmtem wird Berechenbares. Denn wo keine Gestalt, da ist auch keine Ordnung.(3) Ordnen wollen wir die Natur, um in ihr nicht unterzugehen; aber Ordnung ist nicht wirklich, Ordnung ist eine Sehnsucht der menschlichen Sprache.(4) Jede Ordnung ist kategorial. Alle Abstraktionen sind Prototypen, die einer logischen Ordnung dienen. In der Wirklichkeit selbst gibt es keine Abstraktionen wie die der Sprache. Individuelle Lebendigkeit gehorcht nicht dem toten Begriff. Jede Ordnung ist eine Ordnung zu einem bestimmten Zweck.
“Ordnung ist eine Konstellation von Zeichen. Es gibt (aber) keine Ordnung schlechthin, sondern nur eine Vielfalt nebeneinander bestehender Zweckkonstellationen, die alle auf letztlich unbeweisbare und unwiderlegbare Prinzipien gruenden, die ihre eigenen Deutungen erfordern.”(5)
Es gibt nicht die Ordnung ansich, sondern viele Ordnungen. Gerade deshalb, weil ein Zeichen beliebig ist, gibt es fuer dasselbe kein anderes Gesetz, als das der ueberlieferung und Vereinbarung. Allgemeinbegriffe sind allgemeine Prinzipien, nuetzlich zum Ausrechnen der Welt, nichts weiter. Sie sind bequem, alles, was wir beobachten, laesst sich subsumieren.Die Wortwahrheit macht aus den Worten einen genauen Ersatz fuer die Wirklichkeit. Dies ist eine sehr grosse Annehmlichkeit.(6)Im Wort ist das Gefuehl zu einer Struktur erstarrt, die ueber den Moment hinausreicht. Die zeitlich verfliessende Wirklichkeit wird angehalten und konserviert. Die Bestaendigkeit der Sprache besteht darin, dass sie im Grunde von der Gegenwart unabhaengig ist. Diese Zweckmaessigkeit ist das Geheimnis der Buchstabenkombinationen. Der hiatus irrationalis zwischen Begriff und Wirklichkeit aber laesst sich nie voellig aufloesen. Begriffe sind blosse Kopien unserer Impressionen. Alles Wissen ist gegenstaendlich und wird es immer bleiben. Das Denken geht linear vor, aber die Wirklichkeit nicht. Jede kuenstliche Vereinheitlichung bedeutet deshalb eine Entfremdung von der wirklichen Existenz. Abstraktion ist nur Fiktion.(7)
Die Abstraktion ist ein kuenstlich geschaffener Einteilungsbegriff, der den Wissenschaftlern als denktechnisches Mittel dient, um Empfindungen unter Dach und Fach zu bringen. Jeder Begriff ist gleichbedeutend mit einer ganzen Reihe entsprechender Operationen. In der Abstraktion werden die kompliziertesten Beziehungen abgekuerzt durch ein Wort ausgedrueckt; ganze Saetze werden in einem Wort zusammengefasst. Die Fingerbewegungen beim Stricken z.B. sind zu kompliziert, als dass wir sie ohne das Zweckwort stricken auffassen koennten. Die Beschreibung wuerde letztlich in einem so und so, in einem Zeigen enden. Und Ideen koennen einfach und komplex sein. Die Idee weiss z.B. ist einfacher Natur und nicht weiter rueckfuehrbar. Die Idee Schwan dagegen enthaelt mehrere Bestandteile: weisse Farbe, langer Hals, schwarze Fuesse etc. Die Idee Schwan ist eine zusammengesetzte, komplexe. Begriffe wie Sarg oder Gras repraesentieren eine Fuelle von Merkmalen wie Groesse, Haerte, Schwere Oberflaechenbeschaffenheit oder Zweckdienlichkeit etc.
Woerter sind deshalb genaugenommen ganze Theorien, die sehr komplizierte Zusammenhaenge auf einen Nenner bringen. Frege nannte einmal den Satz einen zusammengesetzten Namen.
“Nicht nur Ausdruecke wie Gerechtigkeit und ausgleichende Gerechtigkeit sind Namen, sondern auch so ein komplexer Ausdruck wie Die Moeglichkeit einer Definition des Kunstwerks durch verschiedenartige Beispiele und deren nachtraegliche Kennzeichnung ist ein Name.”(8)
Alle Begriffe sind im Grunde theoretische Begriffe. Ganze Theorien verstecken sich hinter einem Wort. Unsere Sprache ist von Theorien foermlich durchsetzt. Wille, Gefuehl, Verstand, Phantasie — alles blosse Sammelnamen. Wir koennten genauso von der Theorie des Willens, der Theorie des Gefuehls, der Theorie vom Verstand etc. sprechen.
Wir lernen die Sprache im praktischen Gebrauch. Keine Sprache kann logisch erlernt werden, weil sie nicht logisch ist. Erlernt wird immer nur der Sprachgebrauch. Die Sprache ist ein Verbrauchsgut und eine Ware, wobei der Produzent gleichzeitig auch der Konsument ist. Sprechen ist der Tausch von Woertern. Alle Abstraktionen haben, ihrer Abstraktionsstufe entsprechend, so etwas wie einen Kurswert.
“So ist unsere Sprache aufgebaut: Der Stein ist hart. usw. Und diese Redeweise ist gut genug fuer den Marktplatz. Das ist eine neue Sorte. Die Kartoffeln sind verfault. Die Eier sind frisch.(9)
Die Alltagssprache ist im geoehnlichen Umgang so nuetzlich, weil viele moegliche Unterscheidungen aus unmittelbar praktischen Gruenden nicht getroffen werden. Ein hoher Differenzierungsgrad braechte auch einen unnoetig hohen Grad an Entscheidungskriterien mit. Im Alltag sprechen wir deshalb schon vom selben Ding, wenn sich seine Eigenschaften nur in wenigen Punkten gleichen. Hieraus ergeben sich dann die Irrtuemer, die von BACON Trugbilder des Marktes (idola fori) genannt wurden.
Jede symbolische Sinnwelt ist potentiell problematisch. In der Sprache herrscht immer Mehrdeutigkeit. Gerade die Sprache oder die Sprachglaeubigkeit verhindert es, dass wir auf tiefer liegende Probleme aufmerksam werden. Wo verschiedene Dinge in einen Topf geworfen werden, entstehen aus Scheinbegriffen dann Scheinprobleme. Eine Verwirrung der logischen Typen geschieht gerade durch die Verwechslung des Individuums mit der Klasse. Die Aussage ueber ein Individuum und eine Aussage ueber eine Klasse gehoeren zwei verschiedenen logischen Typen an. Ohne eine solche Unterscheidung wird nur Unsinn produziert. Problembewusstsein ist eigentlich ein Bewusstsein ueber die Abstraktionsgrade des Denkens. Zu weit gefasste Verallgemeinerung der Realitaeten schafft eigentlich immer mehr Probleme, als sie loest. Die Leute verwechseln, wie das Sprichwort weiss, Fisch und Fahrrad. Beides faengt mit F an, hat aber nichts miteinander zu tun.
Jedes Problem wird über Abstrahierung gestellt. Irrtuemer und Missverstaendnisse entstehen, weil zwei Menschen Begriffe gebrauchen, als haetten sie eine gemeinsame Bedeutung, jeder sich aber unter einem Begriff etwas anderes vorstellt. Jede Abstraktion ist ein Denkgebilde, das unter den Bedingungen einer gewollten Wirkung steht. Ob ein Ding oder eine Sache einem gemeinsamen Oberbegriff untergeordnet werden kann, ist ein geistiges Urteil und beruth auf Zweckmaessigkeit. Wir beurteilen alles in Hinblick auf einen bestimmten Zweck und nicht ansich. Die Verwendung fuer einen bestimmten Begriff macht einen Begriff fuer uns bedeutend. Das Wort ist Form. Nur die Form ist allgemein, die Bedeutung dagegen ist individuell verschieden. Begriffe ansich zu verwenden, um damit die Objektivitaet der Tatsachen zu begruenden, kann sozusagen als Hauptmerkmal ideologischer Manipulation betrachtet werden.
Wer an die Identitaet von Wort und Sache glaubt, gebraucht die Worte ansich. Mit Begriffen oder neuen Definitionen werden Probleme aber nur scheinbar geloest. Das groesste Problem ist immer, dass wir uns das falsche Problem stellen. Es ist ein naiver Trugschluss, Wort und Sache gleichzusetzen. Jede objektive Loesung ist ein Irrtum auf Raten. Es ist immer nur eine Frage der Zeit, bis unvorhergesehene Tatsachen unsere Vorstellungen eingeholt haben.
Zeichen erhalten ihre Bedeutung immer erst in der Beziehung, in der sie auftreten. Die Woerter sind sowohl Zeichen, wie Traeger von Bedeutung.(10) Die logisch-bedeutsame Unterscheidung zwischen dem Namen und der Sache wird dort nicht getroffen, wo die Idee, die einem Begriff zugrunde liegt, nicht vom Zeichen getrennt wird, das ihr entsprechen soll. Das Bedeutende (Zeichen) und das Bedeutete (Inhalt) muessen aber logisch getrennt gehalten werden. Sinn und Wort sind immer zu unterscheiden. Der Unterschied von Zeichen und Bedeutung ist der des Wortes zum Gemeinten. Das blosse Wort ansich ist im Grunde nichtssagend. Die Postulierung von begrifflicher Allgemeinheit ist darum immer eine Taeuschung. Begriffe sind nur von ihrem Inhalt her sinnvoll, nicht von ihrer Form.
Die Konkretheit klassifizierender Verallgemeinerungen ist eine bloss scheinbare. Es sind gerade die Begriffe, die uns am selbstverstaendlichsten erscheinen, welche uns den Weg zu tieferer Erkenntnis versperren. Die unkritische Verwendung der Sprache bringt uns oft dazu, Namen fuer gar nicht existierende Gegenstaende zu erfinden und diesen Gegenstaenden dann Realitaet zuzuschreiben. Wir sind immer versucht, in der bloss gedanklichen Existenz eines Wortes zugleich einen wirklichen Gegenstand zu sehen.
“Die meisten Menschen leiden an dieser geistigen Schwaeche, zu glauben, weil ein Wort da sei, muss es auch das Wort fuer etwas sein; weil ein Wort da sei, muss dem Worte etwas Wirkliches entsprechen.”(11)
Der fiktive Charakter der Abstraktion laesst die Wortgebilde als Wirkliches erscheinen. Bloss weil es das Wort Materie gibt, muss es auch so etwas wie eine Materie geben. Das Substantiv versucht zum Suchen nach einer Substanz.(12)
Unter Wortrealismus kann die Neigung verstanden werden, ueberall dort, wo die Sprache fuer etwas einen eigenen Namen hat, einen Wirklichkeitssachverhalt, bzw. ein reales Ding anzunehmen und das Wort fuer die Entsprechung desselben zu halten.
“Man sucht krampfhaft nach einem Etwas, das das Wort bezeichnen soll, man bevoelkert die Welt mit aetherischen Wesen, den schattenhaften Begleitern der Substantive. Typisch hierfuer sind die Worte das Sein, die Seele, das Ich, etc.; aber auch Verba gehoeren hierher, z.B. das Zeitwort existieren, das eine Art schattenhafte Taetigkeit zu bezeichnen scheint, die sich an jedem Dinge finden soll.”(13)
Es ist der Irrtum der Realisten, Allgemeinbegriffe als Abbilder objektiver Wesenheiten aufzufassen, die eigentlich bloss allgemeine Bezeichnungen sind, die auf mehrere Gegenstaende angewendet werden. Allgemeingueltigkeit zu beanspruchen ist die Sache eines lexikalischen Pseudo-Wissens. Konkrete Bedeutung gibt es nur in einem aktuellen Bezugssystem. Es gibt keine allgemeingueltig-objektive Bedeutung. Eine solche wird allenfalls dogmatisch und autoritaer durchgesetzt. Jede objektive Definition ist eine rationale, abstrakte Konstruktion. Fuer die Bestimmung der Bedeutung eines Wortes dagegen ist der lebendige Zusammenhang in einer konkreten Situation ausschlaggebend. Die konkrete Bedeutung eines Wortes ist stets situationsbedingt.
Die Wirkung, die ein Wort erzielt, ist abhaengig vom Interesse, das wir fuer einen bestimmten Sachverhalt hegen. Die wirkliche Bedeutung der Worte liegt in den Ideen, die hinter einem Begriff stecken und im Wert, den sie fuer unseren praktischen Gebrauch haben. Worte sind praktische Erinnerungszeichen fuer Sinneseindruecke. Eine objektive Definition kann es nicht geben. Der Baum ansich ist farblos, geruchlos, geschmacklos usw. Blosse Worte sind nichts Wirkliches. Worte sind Symbole und Symbole riechen nicht, laecheln nicht, bluten nicht, sie existieren nicht. Alle Definitionen haben nur als Gebrauchsdefinitionen Bedeutung. Bedeutungen sind nichts abstraktes. Bedeutungen sind individuell verschieden und koennen nicht objektiv definiert werden.
In all unseren Beziehungen zu anderen Menschen und zu uns selbst, stehen die Erscheinungsformen unseres Bewusstseins im Mittelpunkt: Denken, Fuehlen, Wollen. Der gemeinsame Nenner dieser, nur in der Abstraktion getrennten Zustaende ist das, wovon wir denken, dass es Wert besitzt, wovon wir fuehlen, dass es einen Wert hat und das wir wollen, weil es fuer uns wertvoll ist. Von unserer Urteilskraft ist es abhaengig, inwieweit es uns gelingt, unser Wollen von unserem Denken, bzw. Fuehlen unterscheiden zu koennen. Das bloss logische und noch dazu automatisierte Denken in vorgeformten und nicht hinterfragten Begriffen, ist dazu nicht in der Lage. Alle Abstraktionen haben die Tendenz, uns ueber die Wirklichkeit zu taeuschen. Wir sind immer geneigt, das abstrakte Rechnen mit Woertern schon fuer die Wirklichkeit zu halten. Abstraktionen sind aber immer problematisch.
Worte fangen staendig etwas ein, das eigentlich viel komplexer ist. Worte trennen staendig und beschreiben jeden Vorgang und jeden Gegenstand ansich und nicht exakt diesen Gegenstand hier an diesem Ort und jetzt zu diesem Zeitpunkt. Ansich sind die Dinge nur ueberhaupt vorhanden. Abstraktionen sind lediglich Namen, die geeignet sind, auf mehrere verschiedene Gegenstaende angewendet werden zu koennen. Sie tragen zur Erkenntnis der Wirklichkeit nichts wesentliches bei. Das Wort ist das Symbol fuer die Idee, aber alle Symbole sind im Grunde willkuerlich und beruhen auf uebereinkunft. Wir koennten fuer die Dinge auch andere Woerter als Bezeichnung benuetzen. Wenn wir uns z.B. streiten oder wenn wir uns einigen, dann liegt das an den Ideen, die durch die Begriffe symbolisiert werden. Eine Idee ist das, was sie uns bedeutet. Was einem Menschen von Bedeutung ist, erfahren wir nur ueber ein Verstaendnis der ganzen Person, nicht durch eine Lexikon-Definition.
Jede geschaffene Analogiebildung ist kuenstlich und nicht naturgegeben. An die Objektivitaet der Dinge und Sprache glauben wir, aber dieser Glaube ist ein naiver Aberglaube. Was wir als Wirklichkeit sehen, ist im Grunde eine Illusion, wenn auch eine fuer pragmatische Zwecke nuetzliche und praktische Illusion. Alle Verben sind eine Zusammenfassung unter menschliche Zwecke. Was und wie etwas fuer uns existiert, ist abhaengig davon, wie und warum wir etwas bezeichnen. Es ist aber immer das Meinen, das einem Satz Sinn gibt und dieses Meinen ist etwas Seelisches, subjektiv. Die fragwuerdige Nuetzlichkeit abstrakter Begriffe liegt in ihrer psychologischen Wirksamkeit. Die Lehre von der Analogie gehoert deshalb in die Psychologie und nicht in die Logik. Die Frage, welche Vorstellung jemand hat, wenn er ein Wort verwendet, ist bewusstseinsabhaengig, d.h. subjektiv.
Jedes Ding und jeder Vorgang erhaelt seine Bedeutung durch seine Beziehung zu uns und unseren Interessen. Ausserhalb eines persoenlichen Zusammenhangs, in dem wir zu einem Begriff stehen, ist jedes Wort immer vieldeutig. Eine gute Definition ist situationsgetreu, d.h. situationsbezogen. Eine objektive, d.h. dogmatische Definition, schwebt im luftleeren Raum und ist beliebig interpretierbar, was ihr jedoch bei vielen unkritischen Menschen viel Popularitaet verschafft. Theorien beruhen hauptsaechlich auf der Technik, die gerade relevanten Merkmale fuer die jeweilige Denkschule zu vereinfachen oder zu ignorieren. Viele sogenannten Geheimnisse der Wissenschaft koennten auf den unkritischen Gebrauch der Sprache zurueckgefuehrt werden. “Das Hoechste waere zu begreifen, dass alles Faktische schon Theorie ist.”
Anmerkungen:
1. J.G. HERDER: Sprachphilosophie, Hamburg 1960, Seite 173
2. G.W.F. HEGEL in GEORG LUKÀCS: Der junge Hegel II Ffm 1973, Seite 506
3. AUGUSTINUS: Bekenntnisse, Muenchen 1982 Seite 388
4. FRITZ MAUTHNER: Beitraege zu einer Kritik der Sprache III, Ffm 1982, Seite 601
5. HARRY PROSS: Zwaenge, Berlin 1981, Seite 34
6. S.I. HAYAKAWA: Sprache im Denken und Handeln, Darmstadt 1984, Seite 278
7. JEAN-MARIE GUYAU in HANS PFEIL: Jean-Marie Guyau und die Philosophie des Lebens, Augsburg/Koeln/Wien 1928 Seite 45
8. RUDOLF FREUNDLICH in ERNST TOPITSCH (Hrsg): Probleme der Wissenschaftstheorie, Wien 1960, Seite 14
9. GREGORY BATESON: Geist und Natur, Ffm 1987, Seite 81
10. semantisch: auf den Inhalt bezogen semiotisch: den Ausdruck betreffend
11. FRITZ MAUTHNER: Beitraege zu einer Kritik der Sprache I, Ffm 1982, Seite 159
12. FRIEDRICH WAISMANN: Logik-Sprache-Philosophie, Stuttgart 1985, Seite 286
13. FRIEDRICH WAISMANN: Logik-Sprache-Philosophie, Stuttgart 1985, Seite 129
14. J.W. von GOETHE: Wilhelm Meisters Wanderjahre, ohne Jahr
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