Die Logik ist geknüpft an die Bedingung gesetzt, es gibt iden­ti­sche Fälle.”
FRIEDRICH NIETZSCHE

Organisation des Denkens bedeu­tet Einheit und Ordnung in unsere Gedankenwelt zu brin­gen. Ordnung gibt Sicherheit. Die ideale Ordnung ist das voll­endet Logische. Der Kern des Denkens, der Logik und der objek­ti­ven Wissenschaft sind Symbole und Zeichen, bzw. Begriffe und Zahlen. Die Zahl ist die einfachste und allge­meinste Idee. Auf Zahlen kann man sich am ehes­ten eini­gen. Groessen koen­nen mathe­ma­tisch und damit objek­tiv ermit­telt werden. Die Quantifizierung der Wirklichkeit geschieht durch Abstraktion, d.h. durch Wort oder Zahl. Das logi­sche Rechnen mit Woertern und Zahlen bestimmt wieviel und wie gross. Wir ordnen die Welt nach Begriff, Mass und Zahl. Alle Messungsgroessen sind Zaehleinheiten oder Begriffsformen. Mathematisierung bedeu­tet Formalisierung. Die klas­si­sche Ding-Logik der quan­ti­ta­ti­ven Begriffe ist die Logik der Messung. In der quan­ti­ta­ti­ven Methode der Abstraktion werden saemt­li­che inkom­men­sura­ble Groessen und quali­ta­ti­ven Unterschiede ausser acht gelas­sen und auf einen einzi­gen Koeffizienten redu­ziert: den der nume­ri­schen und begriff­li­chen Zaehlbarkeit. Gleichartig ist dann alles, was mathe­ma­tisch erwo­gen werden kann. Aus der Gleichheit wird eine regel­maes­sige Struktur und daraus eine Ordnung.

Alle Erkenntnis beruth im Grunde auf mensch­li­chen Abstraktionen in Form von begriff­li­cher Gleichsetzung. In der kate­go­ria­len Form ist das Urphaenomen des logi­schen Denkens zu suchen. Indem wir ein Ding oder einen Vorgang benen­nen, legen wir ihm Identitaet bei. Wir nehmen einen gemein­sa­men Charakter an, wo wir eine Reihe von Einzeldingen mit dem selben Namen bezeich­nen. Alles, was wir brau­chen, ist eine Ereignisreihe, die fuer uns genue­gend Einheit besitzt, um entwe­der gemes­sen oder benannt werden zu koen­nen. Das logi­sche Denken braucht abge­grenzte und in Einheit gefasste Objekte als Denkgegenstaende. Erforschbar ist nur, was gleich­blei­bende Eigenschaften hat. Gegenstaendlichkeit ist deshalb eine abso­lute Voraussetzung allen Erkennens. Im logi­schen Denken werden darum Prozesse zu Dingen gemacht. Die sprach­li­che, oder die logi­sche Form ist der Anfang des isolier­ten Dings und der getrenn­ten Existenz. Aus einem unend­li­chen, flies­sen­den Geschehen gren­zen wir ein Objekt ab und machen es zum Ding, zur Substanz — wir verge­gen­staend­li­chen die Wirklichkeit. Der Begriff des Dings ist aber nur eine kuenst­li­che Einheit, die aus einem unend­li­chen Zusammenhang heraus­ge­ris­sen wird.

Alles streng logi­sche Denken ist nur auf abstrakte Objekte anwend­bar. Sinnliche Erfahrungen sind primaer wort­los. Sensa sind stumm. In den Woertern ist das Sinnliche abge­streift. Wenn wir etwas beschrei­ben, bezeich­nen wir nicht unsere Empfindungen, sondern wir passen unsere Empfindungen den abstrak­ten Symbolen an. Subjektive Empfindungen und sinn­li­ches Erleben werden zuguns­ten der prag­ma­tisch verwert­ba­ren, objek­ti­ven Konstrukte vernach­laes­sigt. Im Vorgang des Abstrahierens halten wir immer den Fluss des konkre­ten Erlebens an. Im abstrak­ten Ausdruck nehmen unsere Sinneserlebnisse Form an und geben ihren spezi­el­len Charakter auf. Was mit einem Namen bezeich­net wird, wird als Ding betrach­tet. Die Aehnlichkeit der Empfindungen wird zur Gleichheit des Begriffs.

Vom Standpunkt des Identitaetsgesetzes exis­tiert das Kontinuum der Empfindungen nicht. Die Sprache ordnet zwar die Sinnesempfindungen, das Erleben selbst kann aber nur unzu­rei­chend in Aussagen ausge­drueckt werden. Was als Individualitaet des Augenblicks oder als das Besondere eines Moments empfun­den wird, ist eine indi­vi­du­elle Bedeutungsqualitaet, die wir erle­ben und die durch eine verall­ge­mei­nernde Bezeichnung erheb­lich entstellt wird.
“In der Sprache liegt die Reflexion und daher vermag die Sprache das Unmittelbare nicht auszu­sa­gen. Die Reflexion toetet das Unmittelbare. Das Unmittelbare ist naem­lich das Unbestimmbare, deshalb kann es die Sprache nicht fassen.” (1)
Mit Worten gelan­gen wir keines­falls ueber eine bild­li­che Darstellung der Welt hinaus. Kategoriale Verarbeitung der Empfindung heisst immer Vereinheitlichung des sinn­li­chen Stoffes und ist damit aber schon eine substan­tia­li­sie­rende Verfaelschung der gege­be­nen Wirklichkeit. Verallgemeinerungen stel­len nur einen prak­ti­schen Wegweiser dar inmit­ten der Zufaelligkeiten und Einmaligkeiten, sie sind aber nicht das Ziel. Wenn wir die Wirklichkeit mit einer Stadt verglei­chen, so gelan­gen wir mit den Abstraktionen besten­falls an den Stadtrand, aber nicht weiter.

Unser ganzes Wissen besteht aus Worten und Zahlen. Diese Abstraktionen sind Sammelbezeichnungen fuer jeweils eine Klasse von Dingen. Begriffe werden gebil­det, indem aus den gemein­sa­men Merkmalen einer Reihe von Dingen eine Bezeichnung durch ein Wort gesetzt wird. Die Dinge werden nach Worten klas­si­fi­ziert. Klassifikation und Systematisierung von sinn­li­cher Empfindung schafft den sprach­li­chen Ausdruck. Der stati­sche Begriff tritt an die Stelle einer dyna­mi­schen Wirklichkeit. Denken heisst klas­si­fi­zie­ren; etwas in diese oder jene Kategorie von Dingen einord­nen. Angenommene Identitaet und Nichtidentitaet bilden deshalb die Basis des logi­schen Denkens.

Klassifizierte Sachen sind mitein­an­der vergleich­bar und koen­nen zuein­an­der in Beziehung gesetzt, bzw. gegen­ein­an­der abge­rech­net werden. Der verall­ge­mei­nernde Analogieschluss macht aus dem indi­vi­du­el­len Material eine allge­meine Vorstellung. Alle so entste­hende Abstraktionen sind aber ideale Vorstellungen, weil sie mehr das beschrei­ben, was sein sollte und nicht das, was ist. Nur dadurch, dass aus der besten­falls bestehen­den Aehnlichkeit kuenst­lich und will­kuer­lich bere­chen­bare Gleichheit gemacht wird, lassen sich weitere logi­sche Schluesse bilden. Die Vergleichung von blos­sen Aehnlichkeiten gaebe keinen wirk­li­chen Schluss.

Logische Zugehoerigkeit kann sich nur zwischen Elementen der glei­chen Klasse abspie­len. Die Logik braucht abge­grenzte und dauer­hafte Objekte, um ihre Arbeit tun zu koen­nen. Da keine Logik aber dem konti­nu­ier­li­chen Verlauf in der Wirklichkeit entspre­chen kann, muss das Isolationsdenken der Logik den leben­di­gen Zusammenhang kappen, der die Dinge verschie­den macht. Abstrakte Identitaet gibt es nur durch Preisgabe der konkre­ten Verbindungen. Die unge­heure Vielfalt des Vorhandenen wird der redu­zie­ren­den Generalisierung geop­fert. Kuenstliche Einheiten werden da aufge­stellt, wo faktisch eine Vielheit besteht. Durch die Reduktion auf dieselbe Einheit sind dann verschie­dene Dinge vergleich­bar. Erst nach dieser kuenst­li­chen Aufbereitung kann mit den Worten weiter­ge­rech­net werden. Beschreibung ist aber stets Vereinfachung. Durch den Gleichklang des Namens werden immer grund­le­gende Unterschiede verwischt.

Rationales, bzw. logi­sches Denken ist das begriff­li­che Auseinanderlegen eines eigent­lich konti­nu­ier­li­chen Stroms des sinn­li­chen Erlebens und betrifft immer nur ausge­waehlte Abschnitte der Wirklichkeit, niemals ihre gren­zen­lose Vielfalt. Die Logik erfor­dert Zusammenfassung des Mannigfaltigen in Einheit. Die abge­grenzte Form macht das Wesen des Individuums — sehen wir von der Form ab, wird Vielheit. Die wissen­schaft­li­chen Methoden bezie­hen sich deshalb auf eine abgrenz­bare, d.h. einheit­li­che Gegenstaendlichkeit. “In der Wissenschaft ist der Inhalt wesent­lich an die Form gebunden.”(2) Wir wissen nur, was sich unse­ren Denkformen fuegt. Es gibt keine Logik ohne Abstraktionen. Allgemeingueltiges Denken braucht Systematik und Einheit. Rationales Wissen ist abstrakt und dient nicht dem Verstehen, sondern dem Zerschneiden. Abstraktion heisst Allgemeingueltigkeit und diese basiert auf der Zerstoerung des Besonderen. Alles Uneinheitliche und Unvergleichliche ist dem Logiker notwen­dig irra­tio­nal. Fortschritte im Erkennen werden nur in der Auffindung von Identischem gese­hen. Das Entdecken von iden­tisch wieder­keh­ren­den Eigenschaften ist die haeu­figste metho­di­sche Geistestaetigkeit.

Logik, bzw. Sprache, ist eine Stabilisierung von Bewusstseinsvorgaengen, indem Inneres an Symbolen fest­ge­macht wird. Die Sprache verleiht seeli­schen Vorgaengen und Prozessen, die vorher flies­send und undeut­lich waren, Konturen. Alles nur dunkel Gegenwaertige soll in der Form der Gegenstaendlichkeit klar werden. Die Sprache objek­ti­viert unsere Sinnesempfindungen, indem sie das “panta rhei”(3) des indi­vi­du­el­len Erlebnisses in eine objektiv-logische Ordnung trans­for­miert. Sprachliche Fixierung reisst den sinn­li­chen Eindruck aus der Einheit des Erlebens und bringt ihn als Abstraktion unter die Allgemeinheit des Denkens. Im wissen­schaft­li­chen Denksystem werden die Dinge nur begrif­fen, inso­fern sie aus dem konti­nu­ier­li­chen Zusammenhang all unse­rer Empfindungen heraus­iso­liert wurden. Doch gerade die Zusammenhaenge in erleb­ter Zeit und konkre­tem Raum sind es, die einem Gegenstand seinen spezi­fi­schen Charakter geben. Wirklich sind die Dinge nur im erleb­ten Hier und Jetzt, d.h. als Einzelne.

Wirkliche Existenz gibt es nur einma­lig an einem einzi­gen Ort zu einer einzi­gen Zeit. Es gibt nur ein einzi­ges Ding, das zu einem ganz bestimm­ten Zeitpunkt an einem ganz konkre­ten und nur diesen Ort sein kann. In der leben­di­gen Wirklichkeit gibt es keine Gleichheit. In keinem Lebensbereich gibt es reine Typen. Es ist ein Irrtum zu glau­ben, in den Abstraktionen haet­ten wir eine Methode, mit der sich alles Geschehen auf der Welt auf einen Nenner brin­gen liesse.” Die Wirklichkeit in ihrer Besonderheit und Individualitaet ist die Grenze fuer jede natur­wis­sen­schaft­li­che Begriffsbildung.”(4) Der theo­re­ti­schen Verallgemeinerung steht immer die fakti­sche Ungleichheit gegen­ueber. Was mit demsel­ben Namen bezeich­net wird, ist niemals ansich gleich, sondern wird einfach gleich­ge­setzt, weil einzelne Unterschiede fuer unsere Zwecke nicht von Bedeutung sind. Eigentlich hat es aber keinen Sinn zu fragen, wie etwas ansich beschaf­fen ist, abge­se­hen vom Zusammenhang mit allen ande­ren Elementen.

Irrtum und Wahrheit des logi­schen Denkens setzen ein Erleben voraus fuer das dauernde Dinge wesent­lich sind. Ein seien­des Ding gibt es aber nur in der mensch­li­chen Optik. Der Eindruck der Stabilitaet beruth auf der Grobheit unse­rer Sinne. Wir sind daher einem Trug erle­gen, wenn wir die logi­sche Beharrlichkeit fuer einen unmit­tel­ba­ren Ausdruck der Wirklichkeit halten. Unser Denken ist nicht mit der Wirklichkeit iden­tisch. Abstraktion von flies­sen­dem Geschehen ist, mit ande­ren Worten, Verallgemeinerung, Generalisierung. Generell heisst zeit-raeumlich unbe­schraenkt, bedeu­tet allge­mein­guel­tig, ansich, d.h. an jedem Ort, zu jeder Zeit. “Der Begriff allein ist es, wodurch die Dinge in der Welt Bestand haben.”(5) Nur zeitlos-ideale und allge­meine Wesenszusammenhaenge sind Gegenstand der reinen Logik, nicht aber indi­vi­du­elle Vorgaenge. Die Logik hat es immer mit dem verall­ge­mei­ner­ten Gehalt sprach­li­cher Ausdruecke zu tun. Die Einfachheit der Verdinglichung ist der blosse Kunstgriff eine ganze Reihe von Merkmalen zu vernach­laes­si­gen und nur die wich­tigs­ten Eigenschaften heraus­zu­grei­fen, um moeg­li­che Komplikationen, welche durch die Vielfalt des Wirklichen entste­hen, zu vermei­den. Die Logik rech­net immer mit den Klassenbezeichnungen der Dinge. Abstraktionen sind ideal­ty­pi­sche Vereinfachungen.

Ueberall ist die Sinnlichkeit gewis­ser­mas­sen im Kampf mit der Logik. Die Sprache der Logik ist eine Sprache des Gesetzes gegen­ueber einer chao­ti­schen Unmenge von Einzelheiten. Mit den Kategorien unter­neh­men wir den Versuch, die Erlebnisse in Begriffe zu pres­sen. Die Einheitlichkeit des konkre­ten Erlebens wird auf die Systematik des abstrak­ten Denkens redu­ziert. “Der Logiker verwan­delt schoene, gewun­dene und reis­sende Fluesse in schiff­bare Kanaele.”(6) Das Unvergleichbare aber entzieht sich weiter einer exak­ten Kontrolle und bleibt fuer die mecha­ni­sche und tech­ni­sche Verwertung weit­ge­hend unbrauch­bar. Wo zuviele Einzelheiten Unklarheit schaf­fen, stehen Verallgemeinerungen fuer die Einfachheit. “Alle Dinge beduer­fen eines Namens, dass sie nicht schluepf­rig dem Zugriff entglei­ten. Denn der Name erst macht das Ding.”(7)

Was wir aber zu einem Substantiv abstra­hie­ren, ist immer ein mehr oder weni­ger komple­xer Tatbestand. Stein, Baum, Buch — alles ganze Gruppen von Ideen. Aus prak­ti­schen Gruenden nehmen wir aber an, dass ein jeder schon irgend­wie weiss, was ein Stuhl oder ein Apfel ist. Es waere auch zu umstaend­lich, wenn wir im taeg­li­chen Umgang alle unsere Begriffe immer erst gegen­sei­tig defi­nie­ren muess­ten. Das Wort, das wir bei einer Bezeichnung gebrau­chen, trifft fuer Dinge der glei­chen Art, Klasse, Gattung zu. Der Begriff Vogel entspricht aber einem Vogel ansich und deckt sich nicht mit einem wirk­lich leben­den Vogel. Logik setzt eine Gleichheit voraus, die es im Grunde gar nicht gibt.

Alle logi­schen Probleme sind Probleme der Objektivitaet, d.h. der Gegenstaendlichkeit. Nur ueber die Vergegenstaendlichung ist es uns erst moeg­lich, verschie­dene Vorgaenge mit dem selben Namen zu bezeich­nen. Namensgleichheit ist aber nicht Identitaet. Die Nichtberuecksichtigung des Unterschieds zwischen Gleichheit und Aehnlichkeit ist deshalb der Grundfehler des logi­schen Denkens. Viele Unklarheiten und Verstaendigungsprobleme koen­nen auf die unkri­ti­sche Uebernahme von Begriffen zurueck­ge­fuehrt werden. Das unkri­ti­sche Denken in Begriffen ist eine blosse Gleichsetzung, bei der nichts heraus­kom­men kann, was wir nicht hinein­ge­legt haben. Logisch wird nichts Neues erschlos­sen. Die Logik ist fuer die hoehere Erkenntnis deshalb eine unfrucht­bare Disziplin, weil sie eine Gleichheit voraus­setzt, die es nicht gibt. Logik beruth auf der Voraussetzung, dass es iden­ti­sche Faelle gibt und diese Identitaet wird zeit­un­ab­haen­gig postu­liert. Der Satz der Identitaet schreibt der Setzung konstante Geltung zu. Logik ist nur infolge dieses Grundirrtums moeg­lich. Der Fehler des Generalisierens besteht dabei in der Annahme dass, wenn zwei Dinge in vielen oder eini­gen Beziehungen ueber­ein­stim­men, sie wohl auch noch in allen ande­ren Beziehungen ueber­ein­stim­men werden.

Damit Wissen ueber­trag­bar ist, muss der Gegenstand gewisse Gleichfoermigkeiten und Gesetzmaessigkeiten aufwei­sen. Die flies­sende Uebergaenge in unse­rem Gefuehlsleben sind aber logisch nicht greif­bar. Es gibt keine logi­sche Moeglichkeit exakt fest­zu­stel­len, wo genau der Punkt liegt, an dem der eine Zustand unse­res Seelenlebens zu einem ande­ren wird. Das konti­nu­ier­li­che Erleben ist logisch genau­so­we­nig fass­bar, wie die Gegenwart. Uebergang und Gegenwart sind irra­tio­nale Grenzlinien, die logisch nicht greif­bar sind. In dem Augenblick, in dem der Verstand sie zu erfas­sen sucht, exis­tie­ren sie schon nicht mehr. Das Kontinuierliche ist irra­tio­nal, ueber­be­greif­lich. Das logi­sche Denken erfasst das Werden immer nur frag­men­ta­risch. Im unauf­hoer­li­chen Fluss der Erscheinungen gibt es keine behar­ren­den Substanzen — weder Dinge, noch Personen, noch Ideen.
“Wie die koer­per­li­che, so ist auch die seeli­sche Welt nur eine abstrakte Begriffsbildung der Erkenntnis; sie sind beide etwas gedank­lich Geschaffenes, begriff­lich heraus­ge­loest aus einem einheit­li­chen Tatbestand unse­res Erlebens, Reflexionspunkte, aber nicht Arten von Realitaet.”(8)
Objektivieren heisst nichts ande­res, als mittels Abstraktion aus einer indi­vi­du­el­len Qualitaet eine allge­meine Quantitaet, ein Objekt zu machen. Dieses Objekt ist aber nichts Wirkliches, sondern nur etwas Gedachtes. Es ist deshalb ein verhaeng­nis­vol­ler Fehler, das Denken als ein Mittel anzu­se­hen, objek­tive Erkenntnis zu gewin­nen. Es gibt kein Wissen, das immer und ueber­all unbe­dingte Geltung haben muesste. Allgemeine Geltung geht immer auf einen mensch­li­chen Wunsch oder ein Ideal zurueck. Der Zweck, der hinter der logi­schen Verallgemeinerung steckt, heisst Gesetzmaessigkeit und mit dieser Gesetzmaessigkeit wird Ordnung gerecht­fer­tigt. Allgemeingueltigkeit wird aber nicht durch bloss logi­sche Verallgemeinerung erreicht. Was Gesetzmaessigkeit genannt wird, geht auf mensch­li­che Vorstellungen von quan­ti­ta­ti­ven Einheiten zurueck und diese Einheiten sind immer mehr oder weni­ger will­kuer­lich geschaf­fen. Das gilt fuer die Zahl genauso, wie fuer das Wort. Jede theo­re­ti­sche Definition hat einen prak­ti­schen Zweck.

In der Natur gibt es keine genau glei­chen Wesen, keine ueber­ein­stim­men­den Tatsachen, keine Regeln, die sich unter­schieds­los auf mehrere Dinge zur selben Zeit anwen­den lies­sen. Die Mystik der Natur liegt darin, dass kein Begriff und kein Gesetz jemals allge­mein­guel­tig sein kann. In der Natur ist alles einzig und unver­gleich­bar. Die wirk­li­che Natur passt sich nicht dem binae­ren Denken, als der uebli­chen Verhaltensweise unse­res Intellekts an. Die Singularitaet des Wirklichen ist im Prinzip uner­schoepf­lich. Alle Gleichungen sind ohne Ausnahme Mythen.
“Es gibt nur einzelne Sterne, keinen Stern ueber­haupt, es gibt nur einzelne Hunde, keinen Hund ueber­haupt. Es gibt nur einzelne Menschen, keinen Menschen ueber­haupt.… Also Stern, Hund und Mensch sind Vorstellungen, denen keine Wirklichkeit entspricht.”(9)“Pferde sehe ich wohl, aber keine Pferdheit.”(10)
Jede Logik steht und faellt mit der Klassifikation ihrer Elemente. Gleichsetzung und Logik sind im Grunde auswech­sel­bare Begriffe. Aus unklas­si­fi­zier­ten Tatsachen lassen sich keine Schluesse ziehen. Was mit nichts ande­rem vergleich­bar ist, kann eigent­lich ueber­haupt nicht beschrie­ben werden. Logische Klassifikation bedeu­tet deshalb immer, von den spezi­el­len Gegebenheiten in Raum und Zeit abzu­se­hen. Die Geometrie zum Beispiel beschaef­tigt sich mit exak­ten Kreisen; kein sinn­lich wahr­nehm­ba­res Objekt ist jedoch voll­kom­men kreis­foer­mig; auch wenn wir unse­ren Zirkel noch so sorg­fael­tig benuet­zen, es werden sich doch stets einige Unvollkommenheiten und Unregelmaessigkeiten erge­ben. Alle Typen sind stets gedank­li­che Konstruktionen und als solche niemals voll in der Wirklichkeit vorfind­bar.
“Es ist, als soll­ten in einem bestaen­dig stroe­men­den Fluss Linien gezo­gen werden, Figuren gezeich­net, die stand­hiel­ten. Zwischen dieser Wirklichkeit und dem Verstand scheint kein Verhaeltnis des Auffassens moeg­lich, denn der Begriff trennt, was im Fluss des Lebens verbun­den ist, er reprae­sen­tiert etwas, das unab­haen­gig von dem Kopf, der es ausspricht, gilt, also allge­mein und immer. Der Fluss des Lebens aber ist ueber­all nur einmal, jede Welle in ihm entsteht und vergeht.”(11)
Die ideale Gleichheit, die der Begriff leis­ten soll, wird von uns selbst geschaf­fen und ist keines­wegs ansich vorhan­den. Allgemeinheit ist kein Verhaeltnis des Seins, sondern des Denkens. “Das Allgemeine ist nichts als der Name.”(12) Abstrakte Begriffe bezeich­nen immer mehr oder weni­ger eine Gesamtheit und keine Einzelheit. Abstraktionen beschrei­ben Klassen und Gattungen. Die Gattung ist nicht, wie das Individuum auf konkre­ten Ort und Zeit einge­schraenkt, sondern als Allgemeinheit ist sie ueber­all und immer. Der allge­meinste aller Namen ist das Ding oder die Substanz. Kategorien sind allge­meine Formen. Wo das Einzelne sich nicht der logi­schen Allgemeinheit fuegt, wird es durch Abstraktion eben fueg­sam gemacht.
”… das Einzelne wird den Zwecken des Auffassens der Wirklichkeit unter­wor­fen; die Veraenderlichkeit des intui­tiv Gegebenen wird in einer Beziehung von Begriffen zu allge­mein­guel­ti­ger Repraesentation erho­ben; das Konkrete wird durch Abstraktion und analy­ti­sches Verfahren in gleich­ar­tige Reihen gebracht, welche Aussagen von Regelmaessigkeit gestatten.”(13)
Abstraktionen drue­cken die Aequivalenzen aus. Jede objek­tive Definition setzt die einge­bil­dete Kongruenz von Wort und Sache voraus. Die logi­sche Gleichsetzung ist von funda­men­ta­ler Bedeutung fuer jede Art der Berechenbarkeit. Die Deutung der Bestandteile der Welt geschieht deshalb immer nach irgend­wel­chen harmo­ni­sie­ren­den Analogien. Die Gleichheitsidee erscheint als Gleichheitszeichen = als Kopula ist und als Ausdruck der Existenz sein/ist. Jeder Begriff und jede Theorie hat aber nur analoge Bedeutung.
“Der Satz A ist A ist zwar die Grundlage allen Erkennens, aber selbst keine Erkenntnis, sondern eine Tat des Geistes, ein Akt ursprueng­li­cher Synthesis, durch welchen als notwen­di­ger Anfang allen Denkens eine Gleichheit oder ein Beharren gesetzt werden, die sich in der Natur nur vergleichs­weise und annae­hernd, niemals aber abso­lut und voll­kom­men vorfin­den. Der Satz A ist A zeigt also gleich auf der Schwelle der Logik die Relativitaet und Idealitaet alles unse­res Erkennens an.”(14)
Der zwin­gende Schluss ist ein Irrtum und Allgemeingueltigkeit immer ein Fehlschluss. Logischer Zwang ist von axio­ma­ti­schen Voraussetzungen abhaen­gig. Es gibt aber kein Axiom, das unbe­dingt aner­kannt werden muss. Wir koen­nen allen­falls durch aeus­sere Gewalt zu einem bestimm­ten Verhalten genoe­tigt werden, um z.B. einer Lebensgefahr zu entge­hen. Es gibt aber auch hier immer nur den Zwang, der Gewalt zu gehor­chen, nicht den, einen objek­ti­ven Sachverhalt einzu­se­hen. Alles Wissen ist quan­ti­ta­tiv. Nur das Berechenbare wird erkannt. Wissen und Berechenbarkeit koen­nen deshalb im Grund gleich­ge­setzt werden. “Durch die Gleichsetzung von Realitaet mit Quantitaet ist der mensch­li­che Geist Erkenntnis geworden.”(15)

Logik ist deshalb im Grunde ein Zaehlen und ein Rechnen. Nur Quantitaeten und kontext­un­ab­haen­gige Groessen koen­nen einem mathe­ma­ti­schen Modell unter­wor­fen werden. Logik ist Rechnung und alles Rechnen laesst sich auf Addition und Subtraktion zurueck­fueh­ren. Unser ratio­na­ler Verstand gleicht im Prinzip einer arith­me­ti­schen Maschine, die sortiert und vergleicht. Wo nichts zu addie­ren oder subtra­hie­ren ist, hoert das Denken auf. In der Logik wird mehr oder weni­ger alles mit allem gleich­ge­setzt und aufad­diert. “In voll­kom­me­ner Reinheit hört die wissen­schaft­li­che Sprache auf, eine Sache der Woerter zu sein, und verwan­delt sich in Mathematik.”(16)

Anmerkungen:
1. SOEREN KIERKEGAARD: Entweder / Oder, Gütersloh 1985, Seite 74
2. G.W.F. HEGEL: Grundlinien der Philosophie des Rechts, Frankfurt/Main 1986, Seite 13
3. HERAKLIT: “alles fliesst”
4. HEINRICH RICKERT: Kulturwissenschaft und Naturwissenschaft, Stuttgart 1986, Seite 65
5. G.W.F. HEGEL: System der Philosophie, Leipzig 1923, Seite 425
6. JOHN NEWMAN: Grammaire de l’as­sen­ti­ment, o.J., Seite 217
7. AUGUSTINUS ohne Quelle
8. VIKTOR KRAFT: Weltbegriff und Erkenntnisbegriff, Leipzig 1912, Seite 126
9. HANS VAIHINGER: Die Philosophie des Als-Ob, Berlin 1911, Seite 401
10. ANTISTHENES in HANS SVEISTRUP: Stirners drei Egoismen, Freiburg/Br. 1983, Seite 31
11. WILHELM DILTHEY: Der Aufbau der geschicht­li­chen Welt in den Geisteswissenschaften, Frankfurt/Main 1981, Seite 349
12. F.A. LANGE: Geschichte des Materialismus, 2 Bde. Frankfurt/Main 1974 I, Seite 68
13. WILHELM DILTHEY: Der Aufbau der geschicht­li­chen Welt in den Geisteswissenschaften, Frankfurt/Main 1981, Seite 152f
14. F.A. LANGE: Geschichte des Materialismus, 2 Bde. Frankfurt/Main 1974 II, Seite 1010
15. EMILE MEYERSON: Wirklichkeit und Identitaet, Leipzig 1938, Seite 98
16. ALDOUS HUXLEY in HELMUT KREUZER (Hrsg): Die zwei Kulturen, Muenchen 1987, Seite 170

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