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Das Reich, das nicht gefunden werden kann: Über Handlungs- und Haltungsziele im Zen

Ein Dialog über die Buddha-Natur, die bereits da ist — und trotz­dem gesucht wird.

Der Unterschied, der alles verändert. 

Manchmal kommt die Klarheit durch eine einfa­che Unterscheidung. Gestern Abend wurde mir bewusst: Es gibt einen funda­men­ta­len Unterschied zwischen Handlungszielen und Haltungszielen.

Handlungsziele rich­ten sich auf einen zukünf­ti­gen Zustand aus — was ich errei­chen will. Sie leben in der Zukunft, in der Hoffnung, in der Anstrengung um Verbesserung.

Haltungsziele sind in der Gegenwart verwur­zelt — sie zielen darauf ab, wer ich bin. Hier und jetzt. Ohne Wenn und Aber.

Die Zen-Perspektive: Du bist bereits Buddha

Diese Unterscheidung führt direkt ins Herz des Zen-Verständnisses. In der Sôtô-Tradition gibt es zwei zentrale Begriffe:

  • Shû (修) — die Übung, das Streben, die Praxis
  • Shô (証) — die Erleuchtung, der Beweis, das Erwachen

Die meis­ten spiri­tu­el­len Wege folgen der Logik: Erst üben (Shû), dann erleuch­tet werden (Shô). Erst anstren­gen, dann ankom­men. Klassische Handlungsziele.

Zen dreht das um: Du BIST bereits erleuch­tet (Shô), und übst (Shû) nur, um es zu bewei­sen — dir selbst und der Welt.

Alle Lebewesen sind von Anfang an Buddha, also erleuch­tet. Dieser Gedanke heißt Hongaku.”

Das Paradox der Suche

Ein Freund, ein Yogi namens Manuel, fasste es perfekt zusam­men: “Finde das Reich, das nicht gefun­den werden kann. Es ist in dir, es ist nicht in dir!”

Dieses Paradox ist kein Wortspiel, sondern zeigt die Natur der Wirklichkeit:

Es ist in dir: Du BIST bereits Buddha-Natur, voll­stän­dig, ohne dass etwas fehlt.

Es ist nicht in dir: Weil das Ego-“Ich”, das sucht, eine Illusion ist. Das Suchende ist selbst das Gesuchte — aber sobald es als “meins” begrif­fen wird, ist es schon wieder verfehlt.

Wenn Erkenntnis körperlich wird

Gestern passierte etwas Faszinierendes. Als wir über diesen Satz spra­chen: “Dann bleibt das übrig, was schon immer da war — aber nie gefun­den werden konnte, weil es nicht verlo­ren war” — wurde das plötz­lich körper­lich spürbar.

Nicht als Idee. Nicht als schö­ner Gedanke. Sondern als leib­haf­tige Gewissheit.

Dôgen nennt das Shinjin Datsuraku — “das Abfallen von Körper und Geist.” In diesem Moment fällt die Trennung zwischen Verstehendem und Verstandenem weg. Der Körper “weiß” es — ohne dass der Kopf es begrei­fen müsste.

Das Ego steht sich selbst im Weg

Hier liegt der Humor des Ganzen: Alles ist bereits in mir vorhan­den, ich kann es derzeit nur noch nicht sehen. Das Potenzial ist da, aber ich stehe mir mit meinem Ego selbst im Weg.

Wie bei den Schlüsseln, die ich verzwei­felt in allen Taschen suche — während ich sie in der Hand halte.

Die rich­ti­gen Fragen zeigen nicht neue Informationen auf, sondern lassen das Ego-Gewebe durch­sich­tig werden, bis das bereits Vorhandene sicht­bar wird.

Leben im Augenblick — die Quantenphysik des Zen

Interessant ist: Moderne Physiker wie Einstein, Heisenberg oder Schrödinger wurden zu regel­rech­ten Mystikern, als sie tiefer in das Mysterium der Quantenwelt eintauch­ten. Sie erkann­ten das, was Zen-Menschen seit Jahrhunderten wissen:

Bewusstsein ist nicht loka­li­sier­bar. Wirklichkeit entsteht in Beziehung. Das Beobachtende und das Beobachtete sind nicht getrennt.

Beim “Flow-Spaziergang” mit meinem Hund erlebe ich genau das: Im Flow ist kein “Ich” vorhan­den, das über etwas nach­den­ken könnte. Es gibt nur noch diese Einheit in der Beziehung — zwischen mir, dem Hund, dem Weg unter den Füßen, den Geräuschen um uns herum. Trotzdem (oder gerade deshalb) bin ich total bewusst und handle perfekt. Pure Bewusstheit ohne Ego-Störung, wo die Grenzen zwischen “ich” und “nicht-ich” verschwimmen.

Die Praxis: Haltungsziele leben

Was bedeu­tet das prak­tisch? Statt mich zu fragen “Was muss ich tun, um spiri­tu­ell zu werden?” (Handlungsziel), kann ich fragen: “Wer bin ich wirk­lich, jetzt in diesem Moment?” (Haltungsziel).

Die Antwort ist bereits da. Sie war immer da. Sie wartet nur darauf, dass ich aufhöre zu suchen und anfange zu sein.

Wie Huang-Po sagte: “Deine Bewusstheit ist Buddha.” Nicht deine Gedanken über Buddha, nicht deine Vorstellungen von Erleuchtung — sondern die reine Bewusstheit selbst, die gerade diese Worte liest.

Das Spiel, das kein Spiel ist

Am Ende ist das Leben ein Spiel, dessen erste Regel lautet, dass es kein Spiel ist. Du bist bereits Buddha und übst trotz­dem. Du hast bereits alle Antworten und stellst trotz­dem Fragen.

Das ist der Humor des Zen — und gleich­zei­tig völlig ernst gemeint.

 🙏

Was schon immer da war, kann nicht gefun­den werden — weil es nie verlo­ren war.”


Dieser Beitrag entstand aus einem Dialog über die Zen-Lehren von Peter D. Zettel, einem Zen-Meister, der Quantenphysik und spiri­tu­elle Praxis auf einzig­ar­tige Weise verband.

Published inGedankengepäck

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