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05 — Angst

Heute gehe ich einmal auf das Thema Angst und den Umgang damit ein.

In meinem Bild von Welt ist Angst ein ange­lern­tes Verhalten. Ebenso haben wir vor etwas Angst, aber nie bei etwas. Also wenn ich etwas tue kann ich nicht gleich­zei­tig Angst davor haben.

Okay — Angst ist ein Verhalten. Das ist meine These, meine Annahme. Wie bin ich darauf gekommen?

Im Sommer letzen Jahres bahnte sich mein Jobwechsel an. Und damit einher kamen auch Ängste und Befürchtungen. Was, wenn der Job nicht passt, wenn ich dem nicht gerecht werde. Was, wenn das Betriebsklima nicht so geil ist wie derzeit? Wo findet man schon so coole und geniale Kollegen? Und das mit der Vertrauensarbeitszeit… Und mein Bekannter, der den Job wech­selte und jetzt todun­glück­lich ist. Da wo ich jetzt bin, da weiß ich was ich habe, das andere ist so unsi­cher… Also viel­leicht doch da blei­ben wo ich bin?

Im Endeffekt begann in meinem Kopf ein Film zu laufen. Ein Film, in dem meine „Job-App“ alle mögli­chen Szenarien aus der Datenbank fischte und daraus einen Plot entwarf. Und genau das war es. Ein Film, der nichts aber auch rein gar nichts mit der Realität zu tun hatte.

Die Angst bediente sich alter Referenzerfahrungen und Befürchtungen. Und damit zeigt sie typi­sche Anzeichen eines Verhaltens.

Als ich den neuen Job antrat, traten von den zuvor gemach­ten Filmen nicht eine Sequenz ein.

Nehme ich das banale Beispiel einer Spinne oder eine Maus. Bei Mäusen kann ich mehr mitre­den, vor denen hab ich Angst. Dieses aus meiner Sicht unkon­trol­lierte Strampeln mit den Füßen wenn ich sie fange, dieses umherr­flit­zen wenn sie vor etwas wegren­nen. Nee, das ist defi­ni­tiv nicht meins. Das erin­nert mich direkt an eine Situation in meinem letzen Wochendhaus, in dem ich bis 2016 gewohnt habe. Da haben wir die gelben Säcke im Carport an die Decke gehängt. Warum? Damit da keine Mäuse dran gehen. Doch was passierte? Genau, Mäuse waren drin. Also bin ich als heroi­scher Mann im Hause herge­gan­gen und hab die Säcke ins Auto gela­den um sie zu entsor­gen. Nachdem ich sie natür­lich in einen weite­ren Sack gesteckt hatte. Im Auto aller­dings kippte einer der Säcke um und 2 Mäuse flitz­ten auf einmal durchs Auto. So schnell hatte ich noch nie die Tür offen und war aus dem Auto gesprun­gen. Puh, so gerade noch mit dem Leben davon gekommen.

Wenn ich andere Menschen sehe, die ganz natür­lich mit Mäusen umge­hen, stelle ich mir die Frage, was in deren Leben verkehrt läuft. Oder viel­leicht in meinem?

Gehe ich in meinem Leben einmal weiter zurück — so in die Kindheit — dann erkenne ich, das meine Mutter vor eben diesen Mäusen in regel­rechte Panik verfiel. Und das hat mein Gehirn über­nom­men. Das Verhalten zunächst kopiert — da muss ja was dran sein, sonst macht die das ja nicht — dann verin­ner­licht und als eige­nes übernommen.

Du siehst, durch diese Referenzerfahrungen — die ja im Falle der Mäuse noch nicht einmal meine eigene war — wurde meine innere Struktur geprägt. Und dies hat sich dann im Laufe der Zeit immer weiter verselb­stän­digt. Jede „ähnli­che“ Situation wurde von meinem Gehirn sofort als „kenn ich“ klas­si­fi­ziert und die Verbindung mit dem passen­den Eintrag versehen.

Und das ist es. In uns läuft ein Film ab, der eine Zukunft entwirft, in der ein „Mag ich nicht“ entsteht. Du erin­nerst Dich, das lymbi­sche System? Und mag ich nicht will ich nicht. Also folgt mein typi­sches Verhaltensmuster — Fight, flight, freeze. Die Angst macht mich aggres­siv (fight), ich ziehe mich zurück (flight) oder es über­kommt mich eine Ohnmacht und Handlungsunfähigkeit (freeze). All das nur auf Grund von einem Film, der in meinem Kopf abläuft.

Nochmal — Angst ist ein Film, der abläuft und eine Zukunft ausmalt, die Du nicht magst. Die Du nicht willst. Du kannst das für Dich selbst verifizieren.

Angst vor dem Alleinsein — was passiert da? Fängt da ein Film an, der dich vereinsamt im Bett oder auf der Couch liegen lässt, ohne Freunde?

Angst vor einem Meeting — welcher Film beginnt zu laufen?

Das bringt mich noch einmal zurück zu meinem Modell der Apps, der Software die in unse­rem Gehirn die Dinge verar­bei­tet und womit sie gefüt­tert wird oder wurde.

Auf der einen Seite sammeln wir da eigene Referenzerfahrungen. Also Dinge, die wir selbst erlebt oder erkannt haben. Dann werden da aber auch Dinge gesam­melt, die wir von ande­ren über­neh­men — z. B. Meine Angst vor den Mäusen. Doch es werden dort auch Dinge gesam­melt, die mir andere nur oft genug erzäh­len. „Das macht man nicht, lass das, dafür bist du zu klein, zu jung, zu… Jetzt stell Dich nicht so an, andere können das auch.“ oder „Schuster bleib bei Deinen Leisten, wer erfolg­reich sein will muss hart dafür arbei­ten. Dir wird im Leben nichts geschenkt. Geld verdirbt den Charakter…“

Das sind alles so kleine subtile Codes, die meinen Film im Kopf zusätz­lich beein­flus­sen. Und dabei hab ich das selbst nie erlebt. Ich habe sie als „gesetzt“ von ande­ren über­nom­men habe.

Diese ande­ren sind meist meine Eltern und das Familiensystem, in dem ich aufge­wach­sen bin. Als Kinder sind wir zunächst auf deren Erfahrungen ange­wie­sen da wir selbst noch nicht so viel erlebt haben. Ergo formen die quasi mein erstes Bild von Welt. Fritz Riemann hat das aus meiner Sicht sehr gut in seinem Buch „Grundformen der Angst“ beschrie­ben. Dort beginnt der Einfluss bereits einige Tage nach der Geburt.

Diese ande­ren sind aber auch die Lehrer, das Schulsystem, Freunde, Arbeitskollegen, etc. Wir über­neh­men Strukturen und Eindrücke dieser Gesellschaft und inte­grie­ren sie in unser eige­nes System.

Also, einmal einen halben Schritt zur Seite und das ganze mal zusam­men­ge­fasst betrach­tet. Angst ist ein Film, der in meinem Kopf entsteht auf Grund eige­ner Referenzerfahrungen und Glaubenssätzen, die ich von ande­ren über­nom­men habe.

Gleichzeitig liebt mein Gehirn gewohnte Strukturen. So kann es effi­zi­ent und ener­gie­scho­nend arbei­ten. Jede Veränderung oder jeder neue Impuls ist zunächst ein Aufwand, der mehr Energie erfor­dert. Und was wäre einfa­cher als einen klei­nen Film ablau­fen zu lassen, der mich in meinem gewohn­ten Umfeld verhar­ren lässt? Ein Gehirn, das mir sagt, „Kenn ich, war da und da auch schon so, brau­chen wir nicht, lassen wir.“


Unter den ursprüng­li­chen Aspekten und Verhaltensreaktionen Fight, Flight oder Freeze hatte die Angst ihren Nutzen. Sie hat uns vor Gefahr und Schaden gewarnt. Damit wir uns nicht am Feuer verbren­nen, dem Raubtier in die Fänge liefen oder im Dunkeln alleine umher­lau­fen. Doch diese Situationen sind in unse­rer moder­nen west­li­chen Welt nahezu ausge­stor­ben. Daher sollte ich genau schauen was Angst heute mit mir macht.

Und damit sind wir aus meiner Sicht auch schon mitten im Veränderungsprozess. Der ja mit dem Erkennen beginnt. Und wenn Du jetzt erkannt hast, das Angst nur ein Film im Kopf ist, dann bist Du schon einen mega­gro­ßen Schritt gegan­gen. Jetzt können wir uns Methoden anschauen, dieser Angst zu begeg­nen und statt sie nicht klein zu machen oder weg zu sper­ren sie zu trans­for­mie­ren und aufzulösen.

Dazu werfe ich in der nächs­ten Folge einen Blick auf den gene­rel­len Prozess von Veränderungen. Denn das wird uns in Zukunft immer wieder begleiten.

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