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Heute gehe ich einmal auf das Thema Angst und den Umgang damit ein.
In meinem Bild von Welt ist Angst ein angelerntes Verhalten. Ebenso haben wir vor etwas Angst, aber nie bei etwas. Also wenn ich etwas tue kann ich nicht gleichzeitig Angst davor haben.
Okay — Angst ist ein Verhalten. Das ist meine These, meine Annahme. Wie bin ich darauf gekommen?
Im Sommer letzen Jahres bahnte sich mein Jobwechsel an. Und damit einher kamen auch Ängste und Befürchtungen. Was, wenn der Job nicht passt, wenn ich dem nicht gerecht werde. Was, wenn das Betriebsklima nicht so geil ist wie derzeit? Wo findet man schon so coole und geniale Kollegen? Und das mit der Vertrauensarbeitszeit… Und mein Bekannter, der den Job wechselte und jetzt todunglücklich ist. Da wo ich jetzt bin, da weiß ich was ich habe, das andere ist so unsicher… Also vielleicht doch da bleiben wo ich bin?
Im Endeffekt begann in meinem Kopf ein Film zu laufen. Ein Film, in dem meine „Job-App“ alle möglichen Szenarien aus der Datenbank fischte und daraus einen Plot entwarf. Und genau das war es. Ein Film, der nichts aber auch rein gar nichts mit der Realität zu tun hatte.
Die Angst bediente sich alter Referenzerfahrungen und Befürchtungen. Und damit zeigt sie typische Anzeichen eines Verhaltens.
Als ich den neuen Job antrat, traten von den zuvor gemachten Filmen nicht eine Sequenz ein.
Nehme ich das banale Beispiel einer Spinne oder eine Maus. Bei Mäusen kann ich mehr mitreden, vor denen hab ich Angst. Dieses aus meiner Sicht unkontrollierte Strampeln mit den Füßen wenn ich sie fange, dieses umherrflitzen wenn sie vor etwas wegrennen. Nee, das ist definitiv nicht meins. Das erinnert mich direkt an eine Situation in meinem letzen Wochendhaus, in dem ich bis 2016 gewohnt habe. Da haben wir die gelben Säcke im Carport an die Decke gehängt. Warum? Damit da keine Mäuse dran gehen. Doch was passierte? Genau, Mäuse waren drin. Also bin ich als heroischer Mann im Hause hergegangen und hab die Säcke ins Auto geladen um sie zu entsorgen. Nachdem ich sie natürlich in einen weiteren Sack gesteckt hatte. Im Auto allerdings kippte einer der Säcke um und 2 Mäuse flitzten auf einmal durchs Auto. So schnell hatte ich noch nie die Tür offen und war aus dem Auto gesprungen. Puh, so gerade noch mit dem Leben davon gekommen.
Wenn ich andere Menschen sehe, die ganz natürlich mit Mäusen umgehen, stelle ich mir die Frage, was in deren Leben verkehrt läuft. Oder vielleicht in meinem?
Gehe ich in meinem Leben einmal weiter zurück — so in die Kindheit — dann erkenne ich, das meine Mutter vor eben diesen Mäusen in regelrechte Panik verfiel. Und das hat mein Gehirn übernommen. Das Verhalten zunächst kopiert — da muss ja was dran sein, sonst macht die das ja nicht — dann verinnerlicht und als eigenes übernommen.
Du siehst, durch diese Referenzerfahrungen — die ja im Falle der Mäuse noch nicht einmal meine eigene war — wurde meine innere Struktur geprägt. Und dies hat sich dann im Laufe der Zeit immer weiter verselbständigt. Jede „ähnliche“ Situation wurde von meinem Gehirn sofort als „kenn ich“ klassifiziert und die Verbindung mit dem passenden Eintrag versehen.
Und das ist es. In uns läuft ein Film ab, der eine Zukunft entwirft, in der ein „Mag ich nicht“ entsteht. Du erinnerst Dich, das lymbische System? Und mag ich nicht will ich nicht. Also folgt mein typisches Verhaltensmuster — Fight, flight, freeze. Die Angst macht mich aggressiv (fight), ich ziehe mich zurück (flight) oder es überkommt mich eine Ohnmacht und Handlungsunfähigkeit (freeze). All das nur auf Grund von einem Film, der in meinem Kopf abläuft.
Nochmal — Angst ist ein Film, der abläuft und eine Zukunft ausmalt, die Du nicht magst. Die Du nicht willst. Du kannst das für Dich selbst verifizieren.
Angst vor dem Alleinsein — was passiert da? Fängt da ein Film an, der dich vereinsamt im Bett oder auf der Couch liegen lässt, ohne Freunde?
Angst vor einem Meeting — welcher Film beginnt zu laufen?
Das bringt mich noch einmal zurück zu meinem Modell der Apps, der Software die in unserem Gehirn die Dinge verarbeitet und womit sie gefüttert wird oder wurde.
Auf der einen Seite sammeln wir da eigene Referenzerfahrungen. Also Dinge, die wir selbst erlebt oder erkannt haben. Dann werden da aber auch Dinge gesammelt, die wir von anderen übernehmen — z. B. Meine Angst vor den Mäusen. Doch es werden dort auch Dinge gesammelt, die mir andere nur oft genug erzählen. „Das macht man nicht, lass das, dafür bist du zu klein, zu jung, zu… Jetzt stell Dich nicht so an, andere können das auch.“ oder „Schuster bleib bei Deinen Leisten, wer erfolgreich sein will muss hart dafür arbeiten. Dir wird im Leben nichts geschenkt. Geld verdirbt den Charakter…“
Das sind alles so kleine subtile Codes, die meinen Film im Kopf zusätzlich beeinflussen. Und dabei hab ich das selbst nie erlebt. Ich habe sie als „gesetzt“ von anderen übernommen habe.
Diese anderen sind meist meine Eltern und das Familiensystem, in dem ich aufgewachsen bin. Als Kinder sind wir zunächst auf deren Erfahrungen angewiesen da wir selbst noch nicht so viel erlebt haben. Ergo formen die quasi mein erstes Bild von Welt. Fritz Riemann hat das aus meiner Sicht sehr gut in seinem Buch „Grundformen der Angst“ beschrieben. Dort beginnt der Einfluss bereits einige Tage nach der Geburt.
Diese anderen sind aber auch die Lehrer, das Schulsystem, Freunde, Arbeitskollegen, etc. Wir übernehmen Strukturen und Eindrücke dieser Gesellschaft und integrieren sie in unser eigenes System.
Also, einmal einen halben Schritt zur Seite und das ganze mal zusammengefasst betrachtet. Angst ist ein Film, der in meinem Kopf entsteht auf Grund eigener Referenzerfahrungen und Glaubenssätzen, die ich von anderen übernommen habe.
Gleichzeitig liebt mein Gehirn gewohnte Strukturen. So kann es effizient und energieschonend arbeiten. Jede Veränderung oder jeder neue Impuls ist zunächst ein Aufwand, der mehr Energie erfordert. Und was wäre einfacher als einen kleinen Film ablaufen zu lassen, der mich in meinem gewohnten Umfeld verharren lässt? Ein Gehirn, das mir sagt, „Kenn ich, war da und da auch schon so, brauchen wir nicht, lassen wir.“
Unter den ursprünglichen Aspekten und Verhaltensreaktionen Fight, Flight oder Freeze hatte die Angst ihren Nutzen. Sie hat uns vor Gefahr und Schaden gewarnt. Damit wir uns nicht am Feuer verbrennen, dem Raubtier in die Fänge liefen oder im Dunkeln alleine umherlaufen. Doch diese Situationen sind in unserer modernen westlichen Welt nahezu ausgestorben. Daher sollte ich genau schauen was Angst heute mit mir macht.
Und damit sind wir aus meiner Sicht auch schon mitten im Veränderungsprozess. Der ja mit dem Erkennen beginnt. Und wenn Du jetzt erkannt hast, das Angst nur ein Film im Kopf ist, dann bist Du schon einen megagroßen Schritt gegangen. Jetzt können wir uns Methoden anschauen, dieser Angst zu begegnen und statt sie nicht klein zu machen oder weg zu sperren sie zu transformieren und aufzulösen.
Dazu werfe ich in der nächsten Folge einen Blick auf den generellen Prozess von Veränderungen. Denn das wird uns in Zukunft immer wieder begleiten.
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